Seit 2015 leitet das Büro Brückner & Brückner Architekten das Großprojekt der Sanierung und des Umbaus des Diözesanmuseums in Freising. Was war Ihr Eindruck oder Empfinden vom Gebäude, als Sie es 2015 – zum ersten Mal? – vor sich sahen, betraten?
Im Zuge unserer Vorbereitungen für den Wettbewerb – die Einladung dazu hat uns sehr geehrt – waren Peter Brückner, Christian Brückner und ich im März 2015 zum Kolloquium am Domberg. Direkt aufgefallen waren mir die Einheit des Dombergs und die wehrhafte und verschlossene Wirkung des Diözesanmuseums. Aber das war ja auch kein Wunder, denn das Gebäude wurde in den Jahren 1868 bis 1870 ursprünglich nicht als Museum, sondern als Knabenseminar geplant. Von der Fassadengestaltung war fast 150 Jahre später nicht mehr viel übrig. Im Inneren des Gebäudes fehlte damals eine funktionale Struktur mit guter Orientierung, alles war eher gewachsen und geworden. Der zentrale Lichthof und die zentralen Achsen sowie die umlaufenden Umgänge zeugten damals schon von den Qualitäten des Bestandes und zeigten, was aus dem Gebäude werden könnte!
Was ist Ihre Philosophie bzw. diejenige des Büros Brückner & Brückner, was bewegt Sie im Umgang mit Gebäuden?
Wir schaffen Lebensräume. Wir respektieren Mensch und Ort. Wir bauen Erinnerung. Das ist unser Weg, das beschreibt unsere Philosophie, unser architektonisches Denken und Handeln verdichtet auf drei Sätze. Wir haben Respekt vor der Historie und dem Bestand, aber auch Mut zu sensiblen, neuen architektonischen Antworten. Es ist uns wichtig, das Wesen und die Struktur des Ortes zu lesen und durch Weiterbauen das Vorhandene zu stärken.
Wie haben Sie sich an dieses Projekt auf dem Domberg herangetastet? Welche Überlegungen und Arbeitsschritte erfolgen, wenn man sich einem Denkmal nähert?
In einem ersten Schritt begeben wir uns immer auf Spurensuche, am Ort, in den Archiven, in der Literatur, bei den Menschen. Wir werden Seismografen und fragen uns: Was will hier sein? Weiter arbeiten wir mit der typologischen Struktur des Gebäudes und dem Ort und führen Befunduntersuchungen durch. Treten in den Dialog mit unserem Team, den Bauherren, den Behörden, den anderen Planern. Wir wollten das Vorhandene stärken, aber auch das Gebäude öffnen. So wurde die Idee von den „geöffneten Wänden“ geboren.
Welche besonderen Herausforderungen stellt ein Museumsbau?
Ein Museum stellt uns vor viele besondere Herausforderungen. So spielt der Umgang mit Licht eine herausragende Rolle, aber auch die Materialien, die Haptik der Oberflächen. Auch wichtig sind die Orientierung, also die Wegeführung durch das Gebäude und die Museumsräume. Diese sollen zahlreich und sehr gut für die Kuratoren bespielbar sein. Auch die sensible und denkmalverträgliche Integration der Haustechnik, insbesondere mit Blick auf die in einem Museum notwendigen klima- und sicherheitstechnischen Anforderungen, ist ein Thema. Alles in allem muss es Ziel unserer Architektur sein, den Dialog von Gebäude, religiöser Kunst und den Menschen zu fördern!
Sieben Jahre Bauen – das ist eine lange Zeit. Gibt es einen Zeitpunkt, an dem man meint, man hätte das Gebäude „verstanden“, man wisse nun genau, in welche Richtung die Ausarbeitung der finalen Pläne gehen soll?
Wir hatten von Anfang ein gutes Gefühl im Umgang mit der Gebäudesubstanz. Das Gebäude hat klar mit uns kommuniziert. Wir konnten unsere Idee, das Alte, zu stärken und das Gebäude in ein Museum zu transformieren, das den heutigen Anforderungen entspricht und auch vor dem Morgen bestehen kann, im Dialog mit dem Bauherrn und den Behörden konsequent durchziehen. Es waren schon besondere Augenblicke, als das Tageslicht wieder in den Lichthof fiel, sich durch die „Geöffneten Wände“ die vielschichtigen Perspektiven gezeigt haben und die Treppenhäuser und die Freitreppen wieder begehbar waren.
Gibt es etwas Besonderes bei dem Großprojekt des Diözesanmuseums in Freising, das es vielleicht von anderen Bauprojekten Ihres Büros unterscheidet, einzigartig macht?
Absolut. Es ist eine einzigartige Bauaufgabe. Wir haben großen Respekt vor diesem Projekt und sind sehr stolz, diesen besonderen Ort mitgestalten zu dürfen. Den Ort, der über tausend Jahre ein kirchliches Zentrum in Bayern darstellt.
Das Büro Brückner & Brückner Architekten arbeitet für unzählig viele verschiedene Bauherren. Was war das Besondere, für die Erzdiözese München und Freising zu arbeiten, also ein Projekt für einen kirchlichen Bauträger zu verwirklichen?
Kirchliche Projekte begleiten unser Büro seit Anfang an. Es sind für uns immer besondere, nicht alltägliche Projekte. Wir haben hier mit sehr besonderen Menschen zusammenarbeiten dürfen. Herr Dr. Kürzeder und sein gesamtes Team arbeiten mit so großer Energie und Begeisterung für dieses Museum und haben uns mit ihrem offenen Dialog und dem respektvollen Miteinander sehr beeindruckt. Auch die sehr intensiven, konstruktiven und immer lösungsorientierten Abstimmungen mit der Stadt Freising und dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege bleiben mir in Erinnerung.
Nach vielen Jahren der Schließung, der Sanierung und des Umbaus wird das Diözesanmuseum im Oktober 2022 wieder geöffnet. Was würden Sie den Besucherinnen und Besuchern mit auf den Weg geben, wenn Sie das Gebäude betreten, durch die Räume schreiten?
Hier würde ich gerne das Team des Diözesanmuseums zitieren, das Museum sei „wie immer. Nur neu.“ Am besten kommt man immer wieder und ich bin mir sicher, man entdeckt immer wieder etwas Neues – in Kunst und Architektur. Aus Perspektive des Architekten würde ich die Blickbeziehungen von außen nach innen und von innen nach außen genießen, sowie die Öffnung der Fassade und deren Gestaltung. Das Zentrum bilden der Lichthof und der Ganzfeldraum von James Turrell mit den Lichtstimmungen. Sehenswert sind auch die Arkadengänge und die „gestapelten“ Sonderräume mit der Museumsgastronomie im Weihenstephaner Saal und dem Leseraum mit dem Balkon mit Blickbeziehungen zur Altstadt, nach Weihenstephan und in das Gebirge.
Vielen Dank!
Interview: IHN
Foto: Falkfilms
Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom Oktober 2022.
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