Fast auf der Zielgeraden
20 Jahre Tierschutzverein

„Manchmal weiß ich schon nicht mehr, wie es weitergehen soll“, gesteht Joseph Popp, während er mich mit nachdenklichem Blick ansieht. Wir sitzen in einem Freisinger Café und unterhalten uns über die aktuelle Situation des Freisinger Tierschutzvereins, der am 10. November sein zwanzigjähriges Bestehen feiern wird. Seine Hand ruht auf einem 29-seitigen Finanzierungsplan für den Neubau eines Tierheims. Seitdem er vor über fünf Jahren, im Mai 2008 zum Vorsitzenden des Freisinger Tierschutzverein gewählt wurde, kämpft Popp für den Neubau. Nebenher unterstützt er die aktiven Mitglieder, kümmert sich um Vereinsangelegenheiten und noch viel mehr. Für die Öffentlichkeitsarbeit konnte er Heike Scheffler gewinnen, ohne die die jetzigen, vielfältigen Aktivitäten des Vereins gar nicht möglich wären. Ach, und hauptberuflich arbeitet er in München. Ähnlich wie ihm geht es auch den anderen fünfzehn aktiven Helferinnen und Helfern des Freisinger Tierschutzvereins, die sich ehrenamtlich, vielfach neben ihren Jobs für das Leben, die Gesundheit und das Wohlergehen herrenloser Tiere einsetzen.

Die aktuelle Situation lässt sich sachlich kurz zusammenfassen: „Seitdem wir die Auffangstation an der Parkstraße 2006 verloren haben, ist es für uns schwieriger geworden, Tiere in privaten Häusern und Wohnungen unterzubringen.“ Denn eventuelle Vorerkrankungen, Verhaltensstörungen und psychische Traumata machen es kompliziert, fremde Tiere in bestehende Haushalte mit Mensch und Tier zu integrieren, zu „vergesellschaften“, wie es der Tierschützer nennt. Das gelte insbesondere für Hunde. „Woher soll man wissen, wie ein Hund reagiert, der mehrere Tage allein an einen Baum im Wald angebunden verbracht hat, oder eine Katze, die einfach aus dem Auto geworfen wurde?“ Auf den Versuch, diese Tiere mit fremden Menschen, Kindern oder weiteren Tieren in Kontakt zu bringen, will er es einfach nicht ankommen lassen. „Wer möchte denn solch ein traumatisiertes Tier noch haben?“, fragt mich Popp. Die Antwort liegt mir auf der Zunge: niemand. Dennoch findet der Verein auch für solch traumatisierte Tiere ein neues Zuhause. „Natürlich gibt es auch weniger tragische Geschichten“, beruhigt Popp. „Dennoch sind es Geschichten, die von der Rettung, vom Zustand und vom Verhalten der in Not geratenen Hunde, Katzen und Kleintieren geprägt sind.“ Aktuell kann der Tierschutzverein gerade noch auf drei Pflegestellen für je einen Hund zurückgreifen, bei denen die Betreuerinnen und Betreuer bereit sind, sich dem Risiko und dem Arbeitsaufwand, das ein verstörtes Tier eventuell mit sich bringt, zu stellen.

Etwas bessere Aussichten gibt es für aufgefundene Katzen oder Kleintiere. Etwa 300 Tiere werden vom Tierschutzverein pro Jahr angenommen. Nach einer ers-ten ärztlichen Voruntersuchung folgt die Eingliederung in eine von zehn Pflegestellen, wo die Katzen und Kleintiere solange gepflegt, gefüttert, medizinisch versorgt und beschäftigt werden, bis für sie ein neues Zuhause gefunden wurde. Hinzu kommt die Reinigung der Räumlichkeiten und der Verwaltungsaufwand. Denn für jedes Tier, egal ob Katze, Hund oder Kleintier, gibt es eine eigene Akte, in der die Geschichte des Tieres, die Pflege- und tierärztlichen Maßnahmen sowie die Tierarzt- und Unterbringungskosten festgehalten werden. „Wir pflegen sie, päppeln sie auf, und das auch öfters einmal rund um die Uhr. Doch es passiert immer wieder, dass alle Liebe nichts bringt und das Tier stirbt. Das kann keiner auf Dauer ertragen.“ Mit diesen Worten gewährt der Vorsitzende des Tierschutzvereins einen kurzen Blick auf die emotionale Seite dieser ehrenamtlichen Tätigkeit.

War diese Art der privaten Pflege und Unterbringung ursprünglich nur als Übergangslösung gedacht, scheint sie für viele im Landkreis mittlerweile fast zum Alltag zu gehören. Umso größer ist die Hoffnung der Betroffenen, bald mit dem Bau des neuen Tierheims beginnen zu können. Für die Finanzierung benötigt Joseph Popp nur 0,90 Euro pro Landkreiseinwohner im Jahr, bereitgestellt durch die Kommunen. Mit bereits seinem dritten Vortrag vor den Bürgermeistern des Landkreises auf der Bürgermeisterdienstbesprechung am 07. November hofft Popp auf eine endgültige Zustimmung zum Vorhaben. Dann könnte im Winter der Finanzplan stehen, dem die Erschließung des vorgesehenen Grundstücks zwischen Dietersheim und Mintraching und die Bauplanung folgen würden. Die Fertigstellung des Tierheims wäre dann im Sommer 2015 machbar, ein Gedanke, der Popps Augen zum Leuchten bringt. „Wir brauchen dieses Tierheim unbedingt!“

Ich frage ihn, ob ihm zu Beginn seines Einsatzes als Vorsitzender bewusst war, wie zeitaufwendig und Energie raubend diese Aufgabe sein würde. „Grundsätzlich schon“, bestätigt Popp. Und schließlich sei auch nicht alles nur schwierig. Denn die Arbeit für in Not geratene Tiere mache schließlich auch Freude und gebe einem das Gefühl, etwas Wichtiges und Richtiges zu tun. Und mit einer Umstrukturierung des Vereins in Fachbereiche habe er diesen in den vergangenen Jahren auf stabile Beine gestellt. Zu sehen, wie kompetent die Fachbereichsleiter die ihnen zugewiesenen Pflegestellen selbstständig betreuen, sei sehr entlastend. „Auch der Zuspruch aus der Bevölkerung und die Unterstützung des erweiterten Vorstands und der passiven Mitglieder treiben uns alle an.“

Als Nächstes wird der Verein aber nun sein zwanzigjähriges Bestehen feiern. Dazu sind alle Mitglieder am 10. November zu einer Feier ins Marriott Hotel – einem treuen Sponsor – eingeladen. „Ich freue mich auf diesen Abend, denn er wird hoffentlich einen weiteren Wendepunkt in der Geschichte des Tierschutzvereins einläuten.“

Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom November 2013.
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