Der Buchhändler, seine Branche und die Freisinger Kundschaft
Zehn Jahre Bücher Pustet in Freising

Im September 2004 – also vor genau zehn Jahren – eröffnete das Unternehmen Pustet in Freising eine Filiale. Auf der Suche nach einem neuen Standort erschien Freising dem familiengeführten Traditionsunternehmen als geeigneter, aufblühender Standort, um zu investieren und hier neben dem Hauptstandort in Regensburg und den Filialen in Passau, Augsburg, Landshut, Deggendorf, Straubing und Ansbach eine weitere Stadt mit einem persönlichen, auf den regionalen Bedarf abgestimmten Sortiment zu bedienen. Seit 1820, und damit seit sechs Generationen, sammelt die Familie Pustet Erfahrungen im Bereich des Buchhandels, des Verlagswesens und der Buchproduktion. Heute firmieren unter der Friedrich Pustet GmbH & Co. KG ein Verlag, ein grafischer Großbetrieb und die Buchhandlung mit insgesamt zehn Filialen. Der Standort in Freising ist dabei der jüngste Betrieb. Der FINK hat mit Filialleiterin Jutta Ederer über den Beruf des Buchhändlers, den Wandel in der Branche und ihre Erlebnisse der vergangenen zehn Jahre gesprochen.

Welche Erinnerungen haben Sie an die Anfänge in Freising?

Ich bin zwar erst nach dem ersten Jahr hier Filialleiterin geworden, war aber von Beginn an als Buchhändlerin dabei. Daher weiß ich noch gut, dass die ersten sechs Monate ziemlich aufregend waren. Das lag wohl mit daran, dass kurz vor unserer Eröffnung die Buchhandlung Abraxas, ein alteingesessener Betrieb, geschlossen hatte. Insofern mussten wir uns am Anfang erst einmal positionieren und unter Beweis stellen, dass wir kein gesichtsloser Filialbetrieb sind. Das haben wir, glaube ich, ganz gut erfüllt und nach einem Jahr waren wir ziemlich etabliert.

Und welche Erinnerungen haben Sie an die vergangenen zehn Jahre?

Ganz, ganz viele positive Erinnerungen. Diese einzeln zu nennen, geht kaum. Dazu gehören auf jeden Fall die vielen netten Kunden, die einem über die Jahre ans Herz gewachsen sind. Viele Kinder, die man dann in zehn Jahren groß werden sieht. Und viele Lesungen, für die wir positives Feedback bekommen haben. Und auch tolle Kooperationen wie eben mit dem FINK oder dem Uferlos. Mein Hauptaugenmerk liegt aber auf dem Ladenbetrieb und bei den Kunden. Denn wenn die Kunden zufrieden sind, bin ich es auch. Das Negativ-Highlight war der Einbruch letztes Jahr, das fand ich extrem uncharmant, wenn man es mal ganz salopp ausdrücken will.

Der Beruf des Buchhändlers beziehungsweise der Buchhändlerin ist ein Jahrhunderte alter Beruf. Sie scheinen nach wie vor davon begeistert zu sein. Wie lässt sich der Arbeitsalltag beschreiben?

In erster Linie Kunden beraten, Kundenwünsche erfragen und erfüllen sowie Bestellungen tätigen. Das ist grundsätzlich die Hauptaufgabe des Buchhändlers. Und die Recherche natürlich. Was natürlich auch dazugehört, das ist die Sortimentsgestaltung, also auswählen, welche Bücher wir hier im Laden anbieten. Das übernimmt bei uns jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter für die jeweilige Abteilung selbstständig und eigenverantwortlich. Das ist für mich eine Grundvoraussetzung für ein zufriedenes Arbeiten.

Neben dem bestehenden Sortiment werden auch immer mal wieder Bücher verlangt, die es nicht mehr gibt. Die werden dann antiquarisch gesucht, was über das Internet sehr gut möglich ist. Dafür musste man früher im Börsenblatt (Anm. d. Red.: Branchenmagazin des Deutschen Buchhandels) in den Antiquariatsseiten ein Suchinserat aufgeben. Das war natürlich viel zeitaufwendiger, bis man da mal eine Antwort bekam. Aber es ging eben auch. Wobei, diese Geschichte, dass wir die Bücher über Nacht bekommen, das gab es schon immer.

Wie funktioniert die Übernacht-Lieferung?

Es gibt in Deutschland verschiedene Grossisten wie die Global Player ‚Libri‘ in Hamburg, ‚Koch, Neff & Oetinger‘ in Stuttgart und ‚Umbreit‘ in Bittigheim-Bissingen. Mit ihren Verlagsauslieferungen und Bücherwagendiensten können sie bundesweit über 500.000 Titel über Nacht liefern. Das ist logistisch eine Meisterleistung. Wenn wir bis 18 Uhr bestellen, wird beispielsweise in Stuttgart bis 22 Uhr fakturiert, in Lkws verladen und zwischen 3 und 6 Uhr morgens ist die Lieferung dann hier. Das finde ich extrem bemerkenswert und das gibt es schon immer. Also nichts, was Amazon erfunden hat.

Sortiment gestalten, bedeutet das, Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben jedes Buch gelesen?

Nein, der Buchhändler liest natürlich nicht jedes Buch, das im Ladenregal steht. Ich persönlich lese hauptsächlich das, was mich interessiert, und oftmals das erste Viertel von Büchern, von denen ich mir denke, die sollte ich auf jeden Fall mal angelesen haben. Wir lesen 90 Prozent in der Freizeit, vielleicht auch mal in der Mittagspause. Und wenn‘s mal ganz ruhig ist, dann blättert man während der Arbeitszeit in Ratgeber, Fachbücher oder Reiseführer mal rein. Grundsätzlich gilt: Man kann nicht alles gelesen haben. Wir lesen zum Glück sehr viel, denn Lesen gehört natürlich immer noch dazu.

Zweimal im Jahr schicken die Verlage ihre Vorschauen mit den Neuheiten, legen dar, was das Wichtigste, das Besondere ist, welche Alleinstellungsmerkmale und Werbekampagnen es gibt. Dann entscheiden wir, was und wie viele Exemplare wir bestellen. Man versucht schon auch, Trends zu erkennen und das Sortiment interessant zu gestalten. Zusätzlich kommen dann auch noch die Vertreter. Mit vielen hat man über die Jahre hinweg ein Vertrauensverhältnis aufgebaut. Man kann deren Empfehlungen glauben, auch wenn man selber ein Buch nicht so toll fand. Natürlich bekommen wir auch sehr viele Leseexemplare, gerade im Romanbereich.

Welchen Wandel konnten Sie im vergangenen Jahrzehnt im Buchhandel beobachten?

Es gibt natürlich immer mal wieder Trends, die kommen und gehen. In den letzten Jahren ist beispielsweise das Genre ‚Fantasie‘ sehr beliebt gewesen. Auch die Regionalkrimis sind in den letzten Jahren wie Pilze aus dem Boden geschossen. Was auffällt, ist, dass es derzeit kein zehnbändiges Lexikon mehr gibt. Einbändige ja, kurz und kompakt. Man informiert sich jetzt einfach anderweitig. Die meisten Menschen schauen wohl einfach bei Wikipedia nach. Ähnlich ist es bei den Wörterbüchern. Sie werden zwar immer noch gekauft, aber nicht mehr in dem Umfang wie früher, weil man wahrscheinlich schneller eine passende App auf dem Handy hat.

Wie sieht es mit dem Online-Geschäft aus?

Es wäre fatal, den Onlinemarkt komplett zu ignorieren. Dennoch setzen wir eher auf den lokalen Standort. Pustet hatte schon immer eine Homepage, seit drei Jahren ist der Auftritt professionell, modern und sehr kundenorientiert. Dieses Angebot wird sehr gut angenommen. In Prozent ausgedrückt, kommen vielleicht zwei bis fünf Prozent der Bestellungen über das Internet. Aber das ist auch von Filiale zu Filiale unterschiedlich. Wobei wir in Deutschland in der glücklichen Position sind, dass wir die Preisbindung haben. Daher kann das Internet und vor allem Amazon als größter Internetbuchhändler uns nicht den Rang ablaufen. Denn, was kann er dem Kunden bieten, was wir nicht auch schon bereits seit Jahrzehnten machen: Bücher über Nacht da haben, den selben Preis bieten und Bücher zurücknehmen. Solange es die Preisbindung gibt, sind wir Buchhändler hier in Deutschland glücklich. Es ist eine Wertschätzung des Buches als Kulturgut. Die flächendeckende Versorgung und ein Angebot auch an kleineren Standorten werden ermöglicht und kleinere Läden bleiben konkurrenzfähig. Für die Verlage hat es ebenfalls Vorteile. Denn durch die Buchpreisbindung können sie besser kalkulieren. Sie wissen, das ist der Preis, den ich von den Händlern bekomme, und können auch mal ausgefallenere Titel produzieren. Die Titelvielfalt wird dadurch gewährleistet.

Und wie hat sich das E-Book entwickelt?

Wo man die Nachfrage nach E-Books spürt, ist – wenn überhaupt – im Taschenbuchbereich. Wir verkaufen sowohl online E-Books als auch in der Filiale. Der Kunde zahlt im Laden und wir schicken den Link nach Hause. Über die Jahre hinweg haben wir im Laden vielleicht zehn E-Reader verkauft. In diesem Bereich ist Amazon mit dem ‚Kindle‘ einfach sehr dominant, das muss ich schon zugeben. Aber ich hoffe, dass wir uns in Kürze an einer buchhandelsübergreifenden Lösung, wie das aktuell mit dem ‚Tolino‘ als Kooperations-Reader zwischen Hugendubel, Thalia und Weltbild der Fall ist, beteiligen können. Um als Sortimenter gegen das Internet zu bestehen, wäre das bestimmt anstrebenswert.

Gibt es zwischen den Kunden der einzelnen Pustet-Filialen Unterschiede im Kaufverhalten?

Grundsätzlich gibt es keine Unterschiede. Das Freisinger Publikum ist bunt gemischt. Was deutlich ist: Wir sind keine Buchhandlung, vor der man Schwellenangst hat, kein elitärer Kulturverein, sondern eine Buchhandlung für alle. Natürlich versuchen wir einerseits speziellere Titel vorrätig zu haben, beispielsweise für die universitären Fachbereiche. Und für die Literaturbegeisterten führen wir auch kleinere, unabhängige Verlage. Aber die gängige Unterhaltungsliteratur und die Bestseller haben wir genauso im Angebot. Nachdem Kyrios geschlossen hat, haben wir unser theologisches Sortiment erweitert. Wir können natürlich nicht das Gleiche bieten wie Kyrios. Dazu haben wir die Fläche überhaupt nicht. Aber wir haben jetzt auch eine solide Auswahl an Rosenkränzen, Kreuzen und religiösen Geschenkartikeln. Wir haben eben versucht, die Lücke nicht allzu groß werden zu lassen.

Welches Angebot gibt es über den Verkauf von Büchern hinaus?

Seit Beginn bieten wir Bücherausstellungen in Kindergärten und Büchertische zu bestimmten Themen in Schulen, Büchereien oder für das Kulturamt der Stadt Freising, wenn es gewünscht wird. Und wir ermöglichen Schülerinnen und Schülern als Praktikanten in den Beruf hineinzuschnuppern. Wir veranstalten Lesungen, beispielsweise als Kooperation mit ‚Modern Studio‘. Wir organisieren aber auch selber Veranstaltungen. Dabei versuchen wir, bunt zu mischen, zum Beispiel mit unseren erfolgreichen Jugendbuchlesungen. Das müssen dann auch nicht immer so große Namen wie beispielsweise aktuell Kerstin Gier mit ‚Silber‘ sein, die jetzt im September da ist. Diese Lesung mit 230 Plätzen im Lindenkeller ist jetzt bereits schon ausverkauft. Das ist schon eher eine Ausnahme. Wir hatten schon alles, Zuhörer von fünf bis zweihundert. Seit einigen Jahren holen wir auch internationale Autoren nach Freising, wie beispielsweise Joey Goebel und Anthony McCarten. Unsere Lesungen finden zum Teil im Laden statt, zum Teil wo anders, beispielsweise im Nebenraum des Furtner, im Lindenkeller, wenn deutlich wird, dass es über hundert Leute werden, oder eben mit ‚Modern Studio‘ auch im Alten Gefängnis.

Welche Lesungen erwarten das Freisinger Publikum noch im Jubiläumsjahr?

In diesem Jahr wird Kerstin Gier wohl der Mega-Burner. Da sind auch alle anderen Pustet-Filialen neidisch, dass wir die haben. Es kommen noch Eva Menasse mit ihrem Buch ‚Quasikristalle‘, Karl Bruckmaier vom Zündfunk für die Musik- und Popbegeisterten, Robert Hültner mit wahren Mordfällen aus Bayern sowie zwei Fachbuchlesungen zu den Themen ‚Enneagramm‘ von Anna-Maria Rumiz und ‚Alpenheilpflanzen‘ von Astrid Süssmuth.

Wie lautet Ihr Fazit über die vergangenen zehn Jahre?

Mein persönliches Fazit: ein riesengroßes Dankeschön an mein liebes, (beinahe immer) gut gelauntes Team und an die Freisinger Kunden. Wir bekommen ganz viel positives Feedback, was nicht selbstverständlich ist. Über Dinge, die gut laufen, redet man oft nicht und nimmt sie als selbstverständlich hin. Daher finde ich es echt super, wie oft wir gesagt bekommen, dass sich die Leute bei uns wohlfühlen und den Service gut finden. Dafür möchte ich Danke sagen. Denn es sind ja neben der Literatur unsere Kunden, die unseren Arbeitsalltag so abwechslungsreich machen, sodass ich nach 28 Jahren immer noch sagen kann, klasse Beruf, macht mir immer noch sehr viel Spaß.

Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom September 2014.
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