50 Jahre ohne Roider Jackl
Ein Gstanzl für die Ewigkeit

von Pascale Nefzi

Am 8. Mai 1975 verstarb Jakob Roider, besser bekannt als Roider Jackl. Mit seiner Zither, seinem scharfen Witz und seinem unnachahmlichen Gespür für die Seele Bayerns schrieb er Musikgeschichte – nicht im Konzertsaal, sondern im Wirtshaus, auf dem Volksfest und vor allem: auf dem Nockherberg in München, wo er als „Erfinder des Derbleckens“ in die Annalen einging. Fünfzig Jahre nach seinem Tod denkt Freising, die Stadt, in der er viele Jahre lebte und wirkte, an ihren berühmten Volkssänger zurück.

Eine Kindheit zwischen Evangelium und Knödeln

Geboren wurde Jakob Roider am 17. Juni 1906 im niederbayerischen Weihmichl – „ganz nebenbei an einem schönen Fronleichnamstag, zwischen Evangelium und Knödel drehen“, wie seine Mutter später sagte. So reibungslos wie sich diese Schilderung seiner Mutter anhören mag, verlief die Geburt allerdings nicht: Aufgrund des hohen Blutverlusts sei die junge Frau beinahe gestorben. Schnell gab es jedoch Entwarnung und die Geburt des kleinen Jackl wurde gefeiert: Der Vater zahlte ein paar Maß im Wirtshaus. Der Böllerschütze verlangte einen Schnaps extra – er war überzeugt, sein Schuss habe die Geburt erst ausgelöst.
Schon früh zeigte sich das musikalische Talent des jungen Jackl: Auf den Tischen der Wirtshäuser sang er Bauerngstanzl – für eine Wurst als Lohn. Nach einer Schreinerlehre und dem Dienst bei der Reichswehr verschlug es ihn über Umwege nach Freising, wo er 1941 ans Forstamt auf dem Domberg versetzt wurde. Er überlebte den Zweiten Weltkrieg, obwohl er in den letzten Tagen fast von einem deutschen Offizier erschossen worden wäre. Grund hierfür war das letzte Aufgebot der Nazis: Als Hitler merkte, dass Deutschland der roten Armee haushoch unterlegen war, befahl er, 15-jährige Jungen in Blitzlehrgängen auszubilden und an die Front zu schicken. Roider weigerte sich entschlossen, Kindersoldaten in den Krieg ziehen zu lassen. Daraus resultierte eine hitzige Auseinandersetzung mit einem jungen deutschen Offizier, der daraufhin seine Waffe auf Roider richtete und drohte, ihn zu erschießen. Erst in letzter Sekunde beruhigte sich der Disput.

Vom Förster zum politischen Volkssänger

Nach dem Krieg baute sich Roider ein Haus am Rabenweg in Lerchenfeld, wurde Revierförster in den Isarauen und saß später unter Bürgermeister Max Lehner im Stadtrat. Doch seine Berufung lag längst anderswo: auf der Bühne, mit der Zither auf dem Schoß und einem kritischen Blick auf die Mächtigen des Landes.
Bereits 1931 gewann er das erste Niederbayerischen Preissingen in Landshut – der Startschuss für eine beispiellose Sängerkarriere. Ab 1947 entwickelte er sein Markenzeichen: das politische Gstanzl, mit dem er Politiker, „Preißn“ und „Bayerntümelei“ gleichermaßen aufs Korn nahm. Damit gilt er als Erfinder des „Derbleckens“ beim Salvatoranstich auf dem Münchner Nockherberg, wo er von 1954 bis 1974 – mit einer einzigen Unterbrechung im Jahr 1973 – als Hauptredner auftrat. Sein Fernbleiben im Jahr 1973 sorgt auch heute noch für Schmunzeln: in diesem Jahr stand er in der Liste der geladenen Künstler weiter hinten. Das passte dem Gstanzl-König nicht, weshalb er den Nockherberg absagte und lieber im Freisinger Löwenbräu auftrat.
„I bin koa Politiker, aber i woaß, wenn’s stinkt. Und da sing i dann halt a Gstanzl drüber.“
Roider hatte keine Angst, anzuecken. Wer in seinen Versen nicht erwähnt wurde, fühlte sich oft gekränkt – denn es galt als Auszeichnung, „derbleckt“ zu werden.

Freising – Heimat und Bühne zugleich

Freising war für Roider weit mehr als ein Wohnort. Hier entstand ein Großteil seiner Lieder. Der Stadtrat, das Stadtleben, die kleinen Skandale – all das floss in seine Texte ein. Er kannte das einfache Volk wie kaum ein anderer. Selbst Karl Valentin schrieb ihm in einem Brief: „Wer des Roider Jackls Gstanzl nur als derben Schabernack aburteilt, der liegt falsch. Die san von philosophischer Tiefe.“
Kein Wunder also, dass das Stadtmuseum heute seine Zither, Spickzettel und die berühmte Lederhose wie Kulturgüter hütet. Und dass sich an seinem Brunnen nahe der Altstadt regelmäßig Gruppen versammeln – wie jüngst bei einer Sonderführung des Historischen Vereins unter Leitung von Ferl Schreyer anlässlich Roiders 50. Todestags.

Kein Freund der NS-Zeit, kein Feind der Wahrheit

Roider war kein Mitläufer. Er trat nie in die NSDAP ein, sein dienstlicher Werdegang in der Reichswehr zeigt klare Distanz zur Ideologie des Regimes. „Kein Interesse am nationalsozialistischen Staat“ wurde ihm attestiert – ein mutiger Weg in einer Zeit, in der viele Künstler dem Druck nachgaben. Seine politische Haltung hielt er auch in den Nachkriegsjahren aufrecht – ob gegen die Großkopferten in München oder gegen den Bau des Flughafens nahe Freising. „Wenn’s den Flughafen baun, dann fress i’s Kraut mitsamt’m Minister.“

Letzter Akt eines kritischen Geists

1974 wurde bei einer Operation Bauchspeicheldrüsenkrebs festgestellt. Roider zog sich aus der Öffentlichkeit zurück. Seine größte Sorge galt seiner behinderten Tochter Irma – ihre Versorgung durch eine nahe Angehörige regelte ein Testament. Am 8. Mai 1975 starb er, wie er es sich gewünscht hatte, zu Hause in Freising.
Sein letzter Reim war prophetisch:
„Jetzt muaß i aufhern zum Singa, sonst werd i berühmt und kriag aa a so a Denkmal, da wo’s Wasser rausrinnt.“
Heute plätschert es tatsächlich – am Roider-Jackl-Brunnen, im Herzen der Freisinger Altstadt. Und in den Herzen vieler Freisingerinnen und Freisinger, die wissen: Hier war einer von uns. Und doch ein ganz Großer.

Das Buch:


Dieses Buch mit seiner umfangreichen Auswahl aus den witzig-bissigen Ansprachen und Gstanzln dieses unvergessenen Originals ist ein Muss für Freunde des kritischen bayerischen Humors. Diese Bücher sind die einzig noch existierenden Bücher, direkt von der Familie Roider – erhältlich im „aus dem Hinterland“.

389 Seiten – 17.90 Euro

 

 

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Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom Juni 2025.
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