Weltreise mit Herz, Hirn und Talent
Die Musikerin, Komponistin und Dozentin Beate Kittsteiner

Vor Ort ist sie vielen als ebenso langjährige wie engagierte Lehrerin der Musikschule Freising wie auch als Leiterin des Saxophonquartetts Saxadon/na und des Jugendblasorchesters der Musikschule bekannt. Doch dies stellt nur einen Bruchteil des facettenreichen Lebens und Wirkens der ebenso leidenschaftlichen wie versierten Musikerin, Komponistin und Dozentin dar. Sie ist nicht nur rund um den Globus getourt, sondern transferiert auch all die weltweit gesammelten Impressionen in ihre Stücke. Aber alles der Reihe nach.

Da Beate Kittsteiner 1958 als Tochter eines Kunstmalers und Hobbymusikers in München geboren wurde, erklärt es sich nahezu von selbst, dass sie sich bereits in frühester Kindheit mit Musik und Kunst auseinandersetzte. Schon in jungen Jahren beschloss sie, Musikerin zu werden und verließ mit 17 das musische Gymnasium, um an der Hochschule für Musik in München Querflöte zu studieren. Einen Ausgleich zu der klassischen Ausbildung fand sie bei Joe Haider an der Jazzschool München, die sie mit einem Diplom abschloss. Besonders aber prägte sie ihr USA-Aufenthalt, den sie während des Studiums einschob, weil damals hierzulande die Musikerausbildung noch stark auf die Klassik fixiert war. Mit gerade mal 20 machte sie sich auf den Weg ins legendäre Woodstock, um sich dort am Creative Music Studio weiterzubilden. Unter anderem studierte sie dort bei einem Flötisten klassische indische und türkische Musik. Anschließend zog sie weiter nach Rochester, an die Eastman School of Music, eine der renommiertesten Musikschulen der USA, wo sie als Gaststudentin prägende Impulse empfangen hat. Zudem nahm sie Privatunterricht für Saxophon, das neben diversen Flöten zu ihrem Markenzeichen geworden ist.

Mit diesem Rüstzeug steht sie seit 1981 weltweit auf verschiedensten Bühnen, gab neben unzähligen Konzerten auch bei Rundfunk- und Fernsehaufnahmen ihr Bestes und tourte quer durch Europa, die USA und nach Japan. Mal unternahm sie das mit einer ihrer eigenen Bands, mal begleitete sie so namhafte Bands wie die von Mal Waldron, Harald Rüschenbaum oder Al Porcino. Ferner wirkte sie als Sidewoman an diversen CD-Produktionen mit und war unter der Leitung von Dieter Dorn über 15 Jahre lang als Musikerin an den Münchner Kammerspielen tätig.

Obwohl sie als Ensemblemitglied in verschiedensten Formationen ihre Vielseitigkeit ausleben konnte, war es doch immer ein großer Wunsch, die eigenen Vorstellungen und damit ihre eigenen Kompositionen mit eigens dafür zusammengesetzten Bands verwirklichen zu können. Als erstes gründete sie im Jahre 1985 Lady’s Blues, wohlgemerkt mit zehn männlichen Kollegen. Dem folgte 1988 das International Jazz Quintett, das, wenn auch nach Umbesetzungen, heute noch existiert. Gemeinsam mit dem Percussionisten Borel de Sousa begann sie unter dem Namen Das Duo einen puristischen, konzentrierten Dialog. Das Project Tocando ist dagegen ganz der Lebensfreude des Choro do Brazil gewidmet. Und mit dem Saxophonquartett Saxadon/na betreibt sie seit 1998 eine ganz spezielle Art der Nachwuchsförderung. Die Gruppe setzt sich nämlich aus ihren jeweils besten Schülerinnen der Musikschule Freising zusammen.

Ebendort unterrichtet sie seit 1979 als eine der langjährigsten Lehrerinnen nicht nur Querflöte und Saxophon, sondern bietet auch einen Einsteiger-Improvisations-Workshop, in dem sie junge Musiker/innen in die Möglichkeiten der Jazzimprovisation einführt. Doch damit nicht genug des Engagements für den Nachwuchs. Sie fuhr sechs Jahre lang nach Augsburg, um am dortigen Downtown Institut zu unterrichten und ist seit inzwischen zehn Jahren am Dachauer Gitarren Zentrum als Dozentin tätig. Darüber hinaus sind ihre Fähigkeiten immer wieder bei diversen Workshops in Deutschland (u.a. in der Jazz-Stadt Burghausen), Portugal und Österreich geschätzt. Dass sie als Lehrerin so gefragt ist, liegt sicherlich an ihrem mitreißenden Temperament. Jenseits von jeder pädagogischen Strenge nämlich agiert sie frei nach dem Motto „Musik macht Spaß“. So kann es schon mal vorkommen, dass sie ihre Schüler aus voller Kehle in ein Saxophon schreien lässt, um sich erst mal von den Anstrengungen des Tages frei zu machen. Zudem will sie ihren Eleven beispielsweise mit hausinternen Auftritten die Angst vor der Bühne und dem Publikum nehmen.

Ebenso facettenreich wie ihr Werdegang sind auch ihre meist warm, manchmal gar erotisch klingenden Kompositionen, die stilistisch im Jazz beheimatet sind und auf mannigfaltige CDs eingebrannt wurden. Auf diesem Wege will sie ihren Zuhörern vor allem ein positives Lebensgefühl vermitteln, doch gelingt es ihr auch immer wieder, mit stilleren Takten zum Nachdenken anzuregen. Bereits mit ihrer ersten CD unter eigenem Namen setzte sie gemeinsam mit dem International Jazz Quintett 1995 unter dem Titel „Guajira For My Moods“ ein Zeichen für ihre Liebe zu lebensfrohen, karibischen Klängen. Mit derselben Formation spielte sie 1997 „Pentalud“ ein, eine eigenwillige Verschmelzung lateinamerikanischer, afrikanischer und östlicher Elemente, die auf raffinierte Art in Modern Jazz eingebunden sind, woraus sich am Ende ein höchst individueller Stil entwickelt.

Ganz anders dagegen ertönt, um nicht zu sagen röhrt, die erste Produktion mit ihren Schülerinnen. Nomen est omen – mit Verve und Elan spielten die Saxadon/nas 1998 ein Potpourri aus Jazzstandards, die Beate Kittsteiner eigens für diesen Zweck neu arrangiert hat, ein. Dieses gelungene Werk schlug dermaßen ein, dass es auf Anhieb den 1. Preis des Efi-Musikwettbewerbes gewann. Mittlerweile ist das Quartett nicht nur hierzulande eine gefragte Größe. Seit zehn Jahren schon nehmen sie an den Europatagen der Musik im geliebten Bologna teil. Wie sich diese Affinität anhört, lässt sich anhand der 2009 eingespielten, schmissigen CD „impressioni di bologna“ erleben. Auf eine ganz andere Art fesselt der „Choro do Brasil“ mit seinen exotischen Rhythmen und extremen melodischen Sprüngen in dem Album mit Tocando aus dem Jahr 2002 den Zuhörer. Diese Produktion wurde damals sogar vom Auswärtigen Amt Brasiliens in einem Videofilm dokumentiert.

Vor kurzem erschien ihre neue CD unter dem Titel „dream of a clown“, eine Wanderung durch die Höhen und Tiefen des Lebens,  das dritte Album mit dem International Jazz Quintett. Der Titelsong reflektiert zwei wesentliche Charakterzüge ihrer Persönlichkeit, die Melancholie zum einen und die clowneske Fröhlichkeit zum andern. Generell baut sie ihre Stücke gerne über Zwiesprachen auf. Mal kommuniziert die helle Flöte mit dem dumpfen Bass, mal das erdige Klavier mit der luftigen Flöte, dann leichte Pianoklänge mit einem melancholischen Bass, oder aber ein schmissiges Schlagzeug mit einer Melodie vom Saxophon. Dies sind jedoch meist gezielte Passagen innerhalb einzelner Stücke, in denen alle Beteiligten nicht nur gemeinsam sondern auch mit prägnanten Soli ihr Können unter Beweis stellen.

Als Komponistin hat Beate Kittsteiner den Ehrgeiz, ja nichts Konventionelles zu schreiben. So wechselt sie gerne innerhalb eine Stückes den Takt, oder stellt einfach mal die Noten wie in einem Anagramm um, was natürlich den ursprünglichen Sinn der Melodie verändert. Zudem zeichnen sich die vollkommen unterschiedlich gearteten Stücke durch experimentell angelegte Tonfolgen und Instrumentenkombinationen an. Die daraus resultierenden Ergebnisse reichen von puristischen, klar gegliederten Stücken bis zu groovigen, mitreißenden Kompositionen. Dementsprechend erklingen mal leise und sensible Tonfolgen, mal ertönen schnelle Tempi und markante Rhythmen. Ein Highlight der CD ist die Geschichte vom kaputten Elefanten, in der ihre sehr individuelle Kreativität besonders deutlich wird. Allein mit ihrem Baritonsaxophon imitiert sie darin die Klagelaute ebenso wie die Glücksschreie eines Elefanten so täuschend echt, dass ein Kind, das das Stück hörte, prompt meinte, da würde ein echter Elefant brüllen. Doch dies ist nur ein sehr treffliches Beispiel dafür, wie sehr sich Beate Kittsteiner immer wieder aufs Neue mit Herz, Hirn und Talent auf das jeweilige Thema einlässt. Wer dies miterleben will, kann sich die neue CD bei Pustet holen.

Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom Januar 2016.
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