Den Tagen mehr Leben geben
20 Jahre Hospizgruppe Freising

Die meisten Menschen denken nicht gern an den Tod. Weder den ihrer dahingeschiedenen Verwandten oder Freunde, noch den eigenen, der für viele stets in einer weit entfernten Zukunft zu liegen scheint und gedanklich ebendahin gedrängt wird. Den Tod und insbesondere den Verlauf des Sterbens mehr in das Bewusstsein zu rufen, in das Bewusstsein der Öffentlichkeit und in das Bewusstsein der Betroffenen – nicht, um Angst zu schüren, doch um den Sterbenden und ihren Angehörigen ein würdevolles Leben bis zur letzten Minute zu ermöglichen – das ist der Grundgedanke der modernen Hospizbewegung. Diese entstand Ende der 1960er Jahre und wurde initiiert durch die englische Ärztin und Krankenschwester Cicely Saunders. Der 2005 verstorbenen Britin wird auch die Entstehung der Palliativmedizin zugerechnet, also die medizinische Behandlung, die nicht der Heilung einer Krankheit, sondern der Linderung des Leidens zugutekommt in einer Situation, in der der Tod unausweichlich geworden ist. Gemäß ihrem Leitspruch „Nicht dem Leben mehr Tage, sondern den Tagen mehr Leben geben“, eröffnen und entstehen seit 1967, dem Gründungsjahr des ersten stationären Hospizes im Vereinigten Königreich, Hospize, Palliativstationen und Hospizgruppen auf dem gesamten Globus. So auch in Freising. Am 9. Oktober 1995 und somit vor nunmehr fast 20 Jahren gründete sich in der Domstadt die Hospizgruppe Freising e.V. Eine Gruppe von Freisingerinnen und Freisingern, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, schwer kranke Menschen und deren Angehörige in der schwersten aller Situationen zu unterstützen und sie nicht alleine zu lassen. „Hospizarbeit, das bedeutet ein Rundumpaket.“, erklärt Petra Hanrieder, eine von zwei Einsatzleiterinnen des 52-köpfigen Hospizbegleiter-Teams. „Es geht um die Lebensbegleitung von Menschen, die an einer schweren, unheilbaren Krankheit leiden. Natürlich gehört zur Begleitung auch das soziale Umfeld des Betroffenen mit dazu, also zum Beispiel die Familie oder auch die Bewohner des Pflegeheims, in dem der Erkrankte wohnt.“

Der Begriff „Hospiz“ entspringt dem Lateinischen. Als „Hospitium“ bezeichnete man im Mittelalter eine Herberge, in der Pilger versorgt und gepflegt wurden, denen aufgrund einer Krankheit die Weiterreise nicht mehr möglich war. Diese Pflege reichte nicht nur bis zur Genesung, sondern bis hin zum Tod. Das Wort „pallium“, das in der Palliativstation oder auch in der Palliativarbeit steckt, bedeutet „Mantel“. „Das kann man sich vorstellen wie bei einem Regenschauer“, erklärt Hanrieder. „Ein Mantel macht nicht den Regen, also die Ursache weg, sondern schützt vor dessen Folgen, also dem Frieren und Nasswerden.“ So kann die Palliativmedizin nicht eine schwere Herzschwäche heilen, doch vermag sie Beschwerden wie Luftnot zu lindern. „Damit der Mensch trotzdem eine hohe Lebensqualität hat und angstfrei sein kann“, so die gelernte Krankenschwester. Eine Palliativstation, die gibt es im Klinikum Freising seit 2003. Die Hospizgruppe unterstützt dort täglich das Krankenhausteam. Kümmert sich um die Patienten, betreut Angehörige und Bekannte. Der Hospizverein, der mittlerweile etwa 400 Mitglieder zählt, beschäftigt vier Angestellte. Neben Hanrieder sind dies die zweite Einsatzleiterin Sabine Czerny, Cora Behr, Hospizschwester, sowie Sylvia Klausz-Blaukowitsch, die als Sekretärin im Büro des Vereins arbeitet. Daneben engagieren sich im Verein 48 rein ehrenamtliche Hospizbegleiterinnen und Hospizbegleiter. Diese werden vom Verein selbst ausgebildet. Etwa 15 Anwärter sind es jährlich, die die 12-monatige Ausbildung absolvieren, wobei freilich nicht jeder unmittelbar danach seine Arbeit im Verein aufnimmt. Im vergangenen Jahr waren es fast 140 Schwerkranke, Sterbende und Angehörige, die von der Hospizgruppe begleitet wurden. Neben der Sterbebegleitung sind es auch Beratungsleistungen, die die Hospizgruppe für jedermann unentgeltlich anbietet. Beratung in Palliativmedizin und Palliativpflege sowie die Beratung zur Pflegeversicherung, Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht.

2015 wird der Hospizverein 20 Jahre alt und vollzieht sein Jubiläum mit zahlreichen öffentlichen Veranstaltungen. Veranstaltungen, die dazu einladen sollen, sich mit dem Tod, aber vielmehr mit einem erfüllten und würdevollen Leben auseinanderzusetzen. Den Anfang macht ein Vortrag zum Thema Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht am 3. Februar, 19 Uhr, im Pfarrheim St. Georg. Der erste Vorsitzende des Hospizvereins, Bruno Geßele, wird dabei auf eben diese Maßnahmen zur Willenserklärung eingehen, die in dem Moment, in dem man sich beispielsweise nicht mehr artikulieren kann, den Angehörigen und Ärzten Aufschluss geben. „Sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen, ist sehr wichtig, da es Situationen im Leben geben kann, in denen man vielleicht nicht mehr alle Behandlungen, die möglich sind, in Anspruch nehmen möchte“, beschreibt Einsatzleiterin Czerny die Thematik. Würde man beispielsweise auf eine intensive Behandlung verzichten wollen, die einhergeht mit zahlreichen Krankenhausaufenthalten und Nebenwirkungen und keine Besserung an der Grunderkrankung bewirkt, so kann man dies in seiner Patientenverfügung oder Vorsorgevollmacht angeben. „Eine große Hilfe für Ärzte, aber auch Angehörige, um im Sinne des Patienten handeln zu können“, so Czerny.

Das Jubiläumsjahr geht weiter am 15. März. Zu diesem Termin veranstaltet das Freisinger Vokalensemble Cantabile in der Christi-Himmelfahrts-Kirche um 17 Uhr ein Benefizkonzert zugunsten der Hospizgruppe. Vom 31. März bis zum 13. April findet im Alten Gefängnis eine Ausstellung zum Thema „Essenz meines Lebens“ statt. Hier werden Bilder von verschiedenen Landkreisbürgern unterschiedlichen Alters, Berufs und unterschiedlicher Herkunft zu eben diesem Thema ausgestellt. Am 9. Mai wird Märchenerzähler Volker Patalong in seinem Tipi unweit der Plantage ein Märchen zum Thema Lebensübergänge erzählen. Und auch außerhalb des Stadtgebiets ist zum Geburtstag des Hospizvereins etwas geboten: Im Moosburger Rosenhof-Kino wird am 2. Juli um 19 Uhr der mit dem Deutschen Fernseh- sowie Grimme-Preis ausgezeichnete Film „Marias letzte Reise“ gezeigt. Im Anschluss an den Film erhalten Interessierte die Gelegenheit, sich mit den Mitgliedern der Hospizgruppe auszutauschen. Nach einer Sommerpause findet am 19. September 2015 der im zweijährigen Turnus abgehaltene Palliativtag der Landkreise Freising, Pfaffenhofen, Erding, Landshut, Kelheim und Dachau im Kardinal-Döpfner-Haus auf dem Domberg statt. Das Thema in diesem Jahr: „Austherapiert?“ Bei verschiedenen Vorträgen berichten Hospizbegleiter, Palliativmediziner und Therapeuten über die Sterbebegleitung und Palliativmedizin. Am 10. Oktober feiert die Hospizgruppe um 14 Uhr einen ökumenischen Gottesdienst in der Christi-Himmelfahrts-Kirche. Im Anschluss daran findet die interne Jubiläumsfeier für die Hospizbegleiter und Mitglieder statt. Das Jubiläumsjahr wird abgeschlossen mit dem traditionellen Weihnachtskonzert von Luz Amoi, die am 13. Dezember im Mariendom auftreten und einen Teil des Erlöses an die Hospizgruppe Freising spenden. Sabine Czerny blickt voller Erwartungen auf das kommende Jubiläumsjahr und die zahlreichen Veranstaltungen: „Wir freuen uns, wenn wir das Thema Hospizarbeit den Menschen ein Stück näher bringen können.“

Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom Januar 2015.
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