Von Frauenförderung zur Familienförderung

Am 08. März wird der Internationale Frauentag gefeiert. Erstmals wurde er in Deutschland am 19. März 1911 ausgerufen. Im Mittelpunkt der Aktionen stand die Forderung nach einem freien, geheimen und gleichen Frauenwahlrecht. Aufgrund seiner sozialistischen Wurzeln wurde der Frauentag durch die Nationalsozialisten verboten. Erst Ende der 1960er Jahre rückte der Frauentag mit der Verbreitung der Frauenbewegungen wieder ins Bewusstsein. Im Dezember 1977 beschloss die Generalversammlung der UN, den 08. März als Internationalen Frauentag anzuerkennen.

Zu dieser Zeit gab es an der Technischen Universität München bereits ein paar einzelne Professorinnen. Die erste Frau, die den Ruf erhielt, war die aus Limburg an der Lahn stammende Liesel Beckmann. 1941 erhielt sie als erste Frau an der damaligen TH München die Lehrbefugnis. Trotz zahlreicher Bemühungen dauerte es noch bis 1946, bis der Rektor der Universität und das Kultusministerium bereit waren, sie zur „außerplanmäßigen, außerordentlichen Professorin für Betriebswirtschaftslehre“ zu ernennen. Für Liesel Beckmann waren mit dieser Berufung allerdings die Bedingungen verbunden, ledig zu sein und die „akademische Laufbahn als Lebensziel“ anzustreben.

Heute lehren über 80 Professorinnen an der TUM, was etwa 16 Prozent der gesamten Professorenschaft entspricht. Mit einem 2012 ins Leben gerufenen Diversity Management soll sich dieser Anteil bis 2025 auf 25 Prozent erhöhen und die Vereinbarung von Familie und Beruf bald kein Thema mehr für die Mitarbeiterinnen der Lehr- und Forschungseinrichtung sein. In der Präambel der Gleichstellungs- und Diversity-Grundsätze heißt es, „die Technische Universität München (TUM) erkennt die Vielfalt und Unterschiedlichkeit der individuellen Begabungen als ihren besonderen institutionellen Wert. Wir fördern aktiv die Gleichstellung von Frauen und Männern und verfolgen konsequent das Ziel, Deutschlands attraktivste Technische Universität für Frauen zu werden.“

An der Freisinger Fakultät der TUM, dem Wissenschaftszentrum Weihenstephan (WZW), liegt der durchschnittliche Frauenanteil bei den Studierenden und Doktoranden bei 50 Prozent. Während der nachfolgenden akademischen Qualifikationsphase, der Habilitationsphase, die ab dem Alter von etwa 30 Jahren beginnt, zeigt sich jedoch bereits ein deutlicher Rückgang auf 28 Prozent. Ein Zustand, der sich bei den Professorinnen noch verschärft: Nur 20 Prozent der Fachgebiete und 10 Prozent der Lehrstühle sind mit Frauen besetzt. Eine dieser Frauen ist Professor Dr. Ingrid Kögel-Knabner. Sie ist Ordinaria am Lehrstuhl für Bodenkunde und erforscht die Bildung, Zusammensetzung und Eigenschaften der organischen Bodensubstanz sowie deren zentrale Rolle im globalen Kohlenstoffkreislauf. Für ihre Verdienste wurde sie im Januar 2014 mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. Seit 1995 forscht sie als eine der ersten Lehrstuhlinhaberinnen an der TUM. Sie trat die wissenschaftliche Leitung in einer Zeit an, in der es durchaus bereits Frauen in der Wissenschaft gab, als Lehrstuhlinhaberinnen jedoch noch eine Seltenheit waren. Ohne das Verständnis ihres Mannes, der ebenfalls als Wissenschaftler tätig ist, wäre ihr die Vereinbarung von Beruf und Familie wohl nicht gelungen. In den vergangenen zwanzig Jahren hat sich aus ihrer Sicht bereits einiges getan. „Grundsätzlich waren die Themen Frau und Familie nie negativ besetzt. Die TU hat dieses Thema sogar schon verhältnismäßig früh aufgegriffen.“ Und auch wenn aus der Frauenförderung mittlerweile die Familienförderung geworden ist, gibt es für Kögel-Knabner noch zu viele Akademikerinnen, die ihre wissenschaftliche Karriere für die Familie aufgeben. „Wissenschaft, so wie sie heute läuft, ist nicht entspannt. Sie bringt Herausforderungen und treibt einen an. Frauen neigen leider dazu, Erfolge und Anerkennungen zu relativieren.“ Doch genau in der Rekapitulation dieser Erfolge liegt für die Professorin das Potenzial, das einen voranbringt.

Dass das Umfeld eine wichtige Rolle für die erfolgreiche wissenschaftliche Tätigkeit einer Frau spielt, das weiß auch die Professorin Dr. Aphrodite Kapurniotu. Sie folgte 2007 dem Ruf an die TUM. Ihr Forschungsfokus liegt auf dem Gebiet der Peptidchemie und Peptidbiochemie. Mit ihren Forschungsergebnissen zur Entwicklung von peptidbasierten Wirkstoffen als potenzielle Therapeutika oder Diagnostika bei der Behandlung von Diabetes Typ 2 und der Alzheimer Krankheit hält die Chemikerin mehrere US- und europäische Patente. Als Frauenbeauftragte am WZW engagiert sie sich unter anderem dafür, verantwortungsbewusste Angebote in der Kinderbetreuung zu schaffen. Kapurniotu bestätigt, dass sich das Berufungsverfahren bereits zugunsten der Frauen verändert habe. Dennoch könne man nur Wissenschaftlerinnen berufen, die die gleiche oder eine bessere wissenschaftliche Qualifikation als ihre männlichen Kollegen vorweisen könnten. Wissenschaftlerinnen, die aus familiären Gründen während der akademischen Qualifikationsphase für einige Zeit voll oder teilweise zuhause blieben, könnten meistens nur in Ausnahmefällen ihre akademischen Karrieren erfolgreich fortsetzen. „Daher ist es von großer Bedeutung, Wissenschaftlerinnen die Möglichkeit zu geben, die gleiche Qualifikation in ihrem akademischen Karriereweg wie ihre männlichen Kollegen zu erlangen.“

Ein wichtiges Ziel der TUM ist es, mit verschiedenen Maßnahmen Wissenschaftlerinnen insbesondere in ihrer akademischen Qualifikationsphase tatkräftig zu unterstützen. Dazu fördert das WZW beispielsweise Habilitantinnen durch Stipendien. Nachdem in den letzen Jahren die Zahl der Betreuungsplätze für Kinder, die älter als 1 Jahr sind, erhöht wurden, setzt sich Kapurniotu nun für ein institutionalisiertes Betreuungs-angebot für Kinder unter einem Jahr ein. Sie empfindet es durchaus als positiv, dass es in Deutschland gute Bedingungen für einen zeitlich begrenzten beruflichen Ausstieg der Frauen gibt. Damit würde den Frauen die Möglichkeit, ihre Karriere zurückzustellen, schmackhaft gemacht, eine Entscheidung, die gesellschaftlich Akzeptanz findet. „Man hat möglicherweise ein ruhiges Gewissen gegenüber dem Partner, dem Nachbarn, der Gesellschaft oder der Schwiegermutter. Dieselbe Akzeptanz muss es aber auch für Frauen geben, die sich entscheiden, weiterhin zu arbeiten und ihr Kind schon früh in eine betreuende Einrichtung zu geben. Wenn wir diese Akzeptanz erreicht haben und wenn die entsprechenden Einrichtungen vorhanden sind, dann sind wir am Ziel.“

Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom März 2014.
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