Im Porträt: „Freisinger Land e.V.“
Fünf Säulen, ein Ziel: Aus der Region – für die Region

Schweinefleischskandal, Dioxin-Eier, dann EHEC – trotz dieser Horrormeldungen könnte man sich im Landkreis Freising eigentlich beruhigt zurücklehnen. Denn es gibt da den Verein „Freisinger Land“. Seit März 1999 hat sich der Verein der Förderung nachhaltiger Land- und Forstwirtschaft verschrieben, will die umweltschonende Produktion von Lebensmitteln und anderen Erzeugnissen propagieren, setzt auf eine Verkürzung der Transportwege und auf Abfallvermeidung.
Doch damit nicht genug: Weitere Ziele, die von derzeit rund 130 Mitgliedern aus den Bereichen Landwirtschaft, Naturschutz und Handwerk, aber auch von Politikern und Kommunen bejaht und unterstützt werden, sind beispielsweise die Integration von Naturschutzmaßnahmen und Landschaftsschutz in die Anbauverfahren, die Sicherung von regionalen Arbeitsplätzen in Handwerk und Landwirtschaft, die nachhaltige Sicherung und Verbesserung der Lebensgrundlagen von Menschen, Tieren und Pflanzen, der gerechte Handel mit regional erzeugten Produkten sowie eine verbesserte Verbraucherinformation.
Matthias Maino, der erste Vorsitzende von „Freisinger Land“, sieht bisher vor allem drei Erfolge, die man mit der Initiative erreicht habe: Zum einen hätten sich die Marke und das Logo im Landkreis inzwischen etabliert, „Freisinger Land“-Waren, vor allem Brot, zeichneten sich durch eine Konstanz im Absatz aus. Zum anderen sei die Initiative eine starke Werbung für die Direktvermarkter, die Mitglied im Verein seien. Und zum dritten sei es „Freisinger Land“ gelungen, konventionelle und Bio- Produkte zu vereinigen. Denn: Es geht nicht um konventionell oder bio – es gehe um Familienbetriebe und deren Erhalt auch in der nächsten Generation, betont Maino.
Skandale wie die oben erwähnten seien zwar schlimm, dem Gedanken der Regionalität aber auf Dauer förderlich, ist sich Maino sicher. Und selbst wenn es einmal bei Produkten des „Freisinger Land“ zu Problemen käme, man wüsste sofort genau, von welchem Erzeuger diese Probleme ausgingen. Die seit nunmehr zwölf Jahren durchaus erfolgreich agierende Regionalvermarktungsinitiative „Freisinger Land e.V.“ wird dabei von fünf Säulen getragen, deren Sprecherinnen und Sprecher allesamt Vorstandsmitglieder von „Freisinger Land“ sind: Da ist zunächst die Säule Kirche mit ihrer Vertreterin Ursula Lipok: Faire Preise und gerechte Handelsbedingungen sind da wichtige Grundwerte. Denn: Auf der Basis ehrlichen Umgangs miteinander und durch Solidarität zwischen allen Beteiligten „werden wir Menschen unserer Aufgabe immer mehr gerecht, Verantwortung füreinander und somit letztlich für die Schöpfung zu tragen“, begründet Lipok die Unterstützung für „Freisinger Land“ durch die Kirche.
Wichtig auch die Säule Verbraucher mit Sprecherin Simone Mayer: „Freisinger Land“ richte seine Produkte an den Bedürfnissen der Verbraucher aus, die Vermarktung erfolge auf kurzen Wegen, weil die Produkte im Landkreis erzeugt und zum Großteil auch hier weiterverarbeitet würden. Die Verbraucherwünsche wie Schutz der Umwelt und Stärkung der Gesundheit würden bei Erzeugung und Verarbeitung der „Freisinger Land“-Produkte gewährleistet und kontrolliert. Ganz nach dem Motto „Aus der Region – für die Region“ eben.
Die dritte tragende Säule ist die Umwelt, vertreten durch den Bund Naturschutz, den Landesbund für Vogelschutz, den Verband Bayerischer Bienenzüchter und den Landschaftspflegeverband. Sprecher hierfür ist der erste Vorsitzende von „Freisinger Land“, Matthias Maino. Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege in die landwirtschaftlichen Betriebskreisläufe zu integrieren, das ist das Hauptziel dieser wichtigen Säule. Beispiel: die Imker. Durch deren Bienenzucht wird ein wichtiger Beitrag für den Erhalt der heimischen Flora geleistet. Und folglich hilft „Freisinger Land“ damit, die vielfältige Natur- und Kulturlandschaft des Landkreises Freising zu bewahren und teilweise wieder neu zu beleben. Nicht fehlen darf selbstverständlich die Säule der Landwirtschaft, die von Johann Jositz vertreten wird: Die Landwirte liefern nämlich beispielsweise wertvolles Mehl zur Herstellung des „Freisinger Land“-Brotes an die Bäckereien, bieten aber auch Eier, Gemüse, Lamm- und Rindfleisch an, die nach den Richtlinien der Regionalvermarktungsinitiative erzeugt werden.
Und man tut etwas für die Umwelt, indem auf rund fünf Prozent der „Freisinger Land“-Anbauflächen ökologische Verbesserungsmaßnahmen durchgeführt werden.
Letzte Säule: Das Handwerk, repräsentiert durch Josef Muschler. Die Bäcker aus Stadt und Landkreis Freising verarbeiten das „Freisinger Land“-Getreide nach alter handwerklicher Tradition und Rezeptur. „Freisinger Land“ will selbstverständlich auch für sich und seine Ziele werben. Dazu hat man in den vergangenen Jahren zahlreiche öffentlichkeitswirksame Aktionen auf die Beine gestellt: Als Beispiele seien die Aktion „Landrat trifft Land“ oder auch der alljährlich am verkaufsoffenen Sonntag im Oktober stattfindende Verkauf von vielen, vielen Metern Apfeldatschi, dessen Erlös sozialen und caritativen Einrichtungen zu Gute kommt.
Maino hat noch sehr viele Ideen – so viele, dass er sie schon in ein Buch schreibt. Beispiele: Seit drei Jahren versucht er, ein „Regionalregal“ in einem Lebensmittelladen zu etablieren. Erst jetzt scheint sich da eine Lösung aufzutun, verrät Maino. Geplant ist auch in nächster Zukunft die Kooperation mit Gaststätten zur besseren Vermarktung von Rindfleisch. Und: Weil regional und noch per Handwerk hergestellte Produkte sehr aufwändig sind, die Menschen, die das derzeit leisten, aber auf Grund ihres Alters nicht mehr so schwer arbeiten können, denkt Maino daran, die Lebenshilfe e.V. einzuspannen und als Vertragspartner zu gewinnen. Denn: Produkte aus der Region sollten schließlich auch in der Region verarbeitet werden.
Alles in allem also eine Erfolgsgeschichte und ein Vorzeigeprojekt, dessen Bedeutung vor allem immer wieder dann klar wird, wenn es zu Lebensmittelskandalen kommt, die auf großindustrielle und globale Erzeugung und Vermarktung zurückzuführen sind. Und eines ist sicher: Der nächste solche Skandal kommt bestimmt.

Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom September 2011.
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