Theaterwochen: Theater04 im Lumen

Sie haben schon in Lokalen gespielt, im Kino, in privaten Wohnzimmern und sogar in einem Treppenhaus. „theater04“ versteht es, ungewöhnliche Spielorte mit Theaterleben zu füllen. Jetzt ist das freie Ensemble um Begründer Klemens Plail in den Schlüter Hallen in Freising zu erleben. In der Bar „Lumen“ zeigt die Truppe ihre drei aktuellen Inszenierungen: „Der Gott des Gemetzels“, „Love Letters“ und „Schule mit Clowns“ – ein Stück für Kinder ab sechs Jahren. Die „Theaterwochen 2012 im Lumen“ beginnen Ende Januar und dauern bis Anfang März – empfehlenswert für alle, die Theater einmal anders erleben wollen. Schon das „Lumen“ selbst ist einen Besuch wert. Das Lokal liegt unterhalb der beiden alten Fabriktürme und hat reichlich Parkplätze vor der Haustür. Die groben Wände im Innern lassen noch die alten Zeiten erahnen, als in den Schlüter Hallen Traktoren produziert wurden. Wo einst am Fließband gearbeitet wurde, sitzt man heute lässig an der Bar oder lässt sich in einen der bequemen Ledersessel fallen. Es herrscht Clubatmosphäre in der Bar – „loungig“ würde man auf Neudeutsch sagen. Genau das richtige Ambiente für „theater04“. Während die Schauspieler auf der Bühne agieren, können die Zuschauer ihren Cocktail genießen. Auf eine Theaterbestuhlung wird bewusst verzichtet.
Wer ist „theater04“? Das ist vor allem Klemens Plail, der das Ensemble im Jahr 2004 gegründet hat (das erklärt auch die Zahl im Namen) und Daniela Obermeir, unter anderem Dozentin an der Internationalen Schule für Schauspiel und Acting (ISSA) in München. Sie führte bislang bei fast allen Stücken von „theater04“ Regie. Das Ensemble selbst ist eine bunt gemischte Truppe freier Schauspieler aus Freising und München. Weitere Akteure sind u.a. Petra Lewi, Markus Czeslik, Ute Reinicke, Andrea Rogge, Benedikt Sahlmüller und Philipp Stumpp. Sie alle verbindet die Spielfreude und die Begeisterung für das Theater – ihr Antrieb für immer neue und kreative Theaterkonzepte. Schon die erste Inszenierung, Dario Fos „Offene Zweierbeziehung“, war ein durchschlagender Erfolg. Es folgte „Der letzte der feurigen Liebhaber“ von Neil Simon. Im „Lumen“ sind nun die drei aktuellen Inszenierungen des Ensembles zu erleben.

Spätestens seit der Kinoverfilmung mit den Oscar-Preisträgern Jodie Foster, Kate Winslet und Christoph Waltz ist „Der Gott des Gemetzels“ in aller Munde. 2006 wurde das Theaterstück von Yasmina Reza am Schauspielhaus in Zürich uraufgeführt – die wohl brillanteste Wort-Schlacht zwischen zwei Paaren seit Edward Albees „Wer hat Angst vor Virginia Woolf“. Nur witziger. Das Ehepaar Veronika und Michael Hubertus empfängt in ihrer Wohnung das Ehepaar Reimann. Deren elfjähriger Sohn Ferdinand hat ihrem gleichaltrigen Bruno in der Schule zwei Schneidezähne ausgeschlagen. Die daraus resultierenden Probleme sollen nun in einem gepflegten Gespräch im Wohnzimmer der Hubertus’ aus dem Weg geräumt werden. Wie unter zivilisierten Menschen eben. Doch was als Versöhnungstreffen beginnt, entwickelt sich schnell zu einem Höllentripp durch Erziehungs- und Beziehungsprobleme. Aus kleinen Streitigkeiten werden unüberwindbare Differenzen, dezent geäußerte Kritik steigert sich zur Hassrede. Angesichts der entfesselten Aggressionen der Eltern erscheint die Rauferei der Kinde am Ende tatsächlich als harmlose Bagatelle. Schauspieler: Markus Czeslik, Ute Reinicke, Petra Lewi und Klemens Pail.
Das zweite Stück, das „theater04“ im Lumen auf die Bühne bringt, ist „Love Letters“ – eine Widmung an die verloren gegangene Kunst des Briefeschreibens. Das 1990 für den Pulitzer-Preis nominierte Stück von A. R. Gurneys Stück erzählt von Andrew und Melissa – zwei gutbürgerliche „Königskinder“ aus dem Amerika des 20. Jahrhunderts, die nie ganz zueinander finden und doch nie ganz voneinander lassen können. Die Spur ihrer Briefe reicht von den ersten Zettelchen, die sie sich vor dem Zweiten Weltkrieg unter der Schulbank zustecken, bis in die Zeit der Anrufbeantworter. Es ist die Geschichte einer großen Liebe – intelligent, frech, zuweilen auch zweiflerisch und melancholisch. So reflektieren Melissa und Andrew ihre Erlebnisse, Gedanken und Visionen. Ihre Wege trennen sich. Aber das Hoffen auf den anderen und seine Antworten hört nie auf.

Schauspieler: Petra Lewi und Klemens Pail. Mit „Der Gott des Gemetzels“ präsentiert sich „theater04“ von seiner bissigen Seite, mit „Love Letters“ beweist das Ensemble große Gefühle. Dass die Truppe noch mehr zu bieten hat, zeigt sie mit ihrer dritten Inszenierung. Die „Schule mit Clowns“ von Friedrich Karl Waechter wurde 1975 uraufgeführt und ist zu einem Klassiker des Kinder- und Jugendtheaters geworden. Zur Musik von Philipp Stumpp können Kinder ab sechs Jahren hautnah miterleben, wie sich die vier angehenden Clowns Karfunkel, Quaste, Schmaltz und Wiesel redlich in der Schule mühen und wie ihr gestrenger Lehrer Dr. Sinn bei der Abschlussprüfung eine gewaltige Überraschung erlebt – ein Stück zum Lachen und zum Mitmachen. Schauspieler: Klemens Plail, Ute Reinicke, Andrea Rogge, Benedikt Sahlmüller und Philipp Stumpp.

Übrigens: Wer „theater04“ im „Lumen“ verpassen sollte, kann „Love Letters“ im Februar in der Pasinger Fabrik in München und im März auf der Bühne Berganger bei Glonn erleben.
Oder man reserviert sich eine Privatvorstellung im eigenen Wohnzimmer. „Wir spielen eigentlich überall“, sagt Klemens Plail – auch im Freien. Der „theater04“ – Chef hat dafür sogar ein eigenes Theaterzelt.

Der Gott des Gemetzels

Datum: 29.1. / 12.2. / 26.2.2012 Beginn: 20.00 Uhr
Love Letters
Datum: 1. / 8. / 15. / 29.2.2012 Beginn: 20.00 Uhr

Schule mit Clowns
Datum: 5.2 / 4.3.2012 Beginn: 16.00 Uhr
Ort: Lumen (Schlüter Hallen) Münchner Straße 32
85354 Freising
Kartenreservierung: 08161 / 64536 oder www.theater04.de
Preise: Love Letters, Der Gott des Gemetzels: 14,00 Euro
Schule mit Clowns: Erwachsene 10,00 Euro, Kinder 6,00 Euro
Einlass: 1 Stunde vor Spielbeginn 

Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom Februar 2012.
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