Das Freisinger Notgeld
1915 bis 1924

Das sogenannte Not- bzw. Ersatzgeld fand (und findet) in der Regel in wirtschaftlich schwierigen Zeiten Verwendung. Dabei handelt es sich nicht um eine Erfindung des 20. Jahrhunderts, schon in spätmittelalterlicher Zeit wurde Notgeld ausgegeben, zumeist innerhalb belagerter Städte in Form von sogenannten „Belagerungsscheinen“. Die Verteilung solcher Scheine organisierten dabei die jeweiligen Kommunal- oder Militärverwaltungen. Als erstes bekanntes Ereignis, das zur Ausgabe von „Belagerungsscheinen“ geführt hat, gilt die Belagerung der spanischen Stadt Alhama de Granada durch die Mauren im Jahr 1483. Das älteste erhaltene Notgeld stammt aus dem Jahr 1574 und wurde anlässlich der spanischen Belagerung der niederländischen Stadt Leiden gedruckt. Um den Geldmangel zu beheben, hatte man hier die Münzstempel nicht auf Metall, sondern auf die Pappe von Kirchenbüchern geschlagen. So entstanden Münzen aus Karton: das erste Notgeld. Auch später, besonders in der Zeit der Napoleonischen Kriege (1792-1815), kam es häufiger zur Verwendung von Geld auf papierener Grundlage. Bei der französischen Besetzung der Stadt Mainz 1793 beispielsweise wurden auf Veranlassung des Stadtkommandeurs, General Adam-Philippe de Custine, französische Assignaten (Anweisungen) auf ihrer Rückseite mit entsprechenden Stempeln versehen, sodass man sie als Notgeld benutzen konnte. Auch in jüngster Zeit setzte man Notgeld zur Überwindung von Krisen ein: Als zum Beispiel in Italien in den Jahren 1975 bis 1979 eine Knappheit an Kleingeldmünzen herrschte, gaben regionale Banken und diverse Unternehmen Notgeld, bekannt unter dem Namen „Miniassegni“, heraus. Zwischen 1991 und 2002 kam es auch in Argentinien zur Verwendung von Notgeld. Auf dem Höhepunkt der argentinischen Wirtschaftskrise 2001/02 hatten verschiedene zahlungsunfähige Provinzregierungen die Beamten und Angestellten mit sogenannten „Patacons“ (Schuldverschreibungen) entlohnt.
Was Deutschland, und dabei im Folgenden besonders die Stadt Freising betrifft, so lassen sich für das 20. Jahrhundert zwei Notgeldphasen ausmachen: eine erste in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg, von 1914 bis 1924, die zweite in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg, vor allem 1947/48. Diese Notgeldphasen lassen sich wiederum in einzelne Zeitabschnitte untergliedern, auf die im Folgenden eingegangen werden soll.

1. Der Kleingeldmangel während des Ersten Weltkriegs (1914-1918) und der unmittelbaren Nachkriegszeit (1918/19)

Während des Ersten Weltkriegs machte sich der Kleingeldmangel zunehmend bemerkbar; dafür gab es unterschiedliche Gründe. Zum einen wurden diverse Edelmetall-Münzen von der Rüstungsindustrie stillschweigend als kriegswichtiges Material eingezogen und eingeschmolzen. Zum anderen hatten Millionen von deutschen Soldaten einen beträchtlichen Teil an Münzen mit an die Front bzw. in die eroberten Gebiete genommen, die dann nicht mehr in den Geldkreislauf zurückgeflossen sind. Desweiteren hatte durch die Aufhebung der Einlösepflicht des Geldes in Gold die Glaubwürdigkeit der deutschen Währung eine starke Einbuße erlitten, so dass es in den Privathaushalten zu vermehrten Münzhortungen kam. Kurzfristig, bis zu ihrer Leerung, verschwanden große Mengen an Münzen auch in Gas- und Stromautomaten. Viele Städte und Gemeinden, aber auch Firmen und Geschäfte ließen sich Ersatzgeld, man spricht auch von Notmünzen, prägen oder drucken. Die Stadt Freising hat sich im Januar 1917 mit dem Thema Notgeld beschäftigt und es gab bereits Vorschläge für die Gestaltung der entsprechenden Münzen; letztlich kam es aber nie zu einer Produktion, so dass innerhalb des Stadtgebiets nur die Notgeld-Ausgaben von privater Seite existieren. Bei den Freisinger Notgeld-Produzenten handelt es sich im Wesentlichen um die Motorenfabrik Anton Schlüter, die Tuchfabrik Carl Feller & Sohn sowie das Kolonialwarengeschäft Christian Huß.

Die Motorenfabrik Anton Schlüter hatte zur Behebung des Kleingeldmangels und zur Erleichterung des Zahlungsverkehrs innerhalb ihrer Werke sowohl in Freising als auch in München in den Jahren 1915 und 1917 runde und achteckige Geldersatzmarken aus Messing und Aluminium mit den Werten 1, 2, 5, 10, 25, 50 und 100 ausgegeben. Diese Marken gelangten auch in den öffentlichen Umlauf und wurden als Zahlungsmittel verwendet. In der Samstagsausgabe des Freisinger Tagblattes vom 31. März 1917 gab Anton Schlüter bekannt, dass er das bisherige Ersatzkleingeld einziehen möchte, was über die Freisinger Bankhäuser Ludwig Sperrer und Georg Münzing (Bayerische Notenbank-Agentur) auch geschah. Schlüter machte im gleichen Presseaufruf deutlich, dass ab Samstag, den 31. März 1917 die Ausgabe eines neuen Kriegsgeldes in anderer Farbe und Ausführung erfolge. Diese neuen Marken trugen auf der Vorderseite den Namen seiner Firma (Anton Schlüter – München-Freising) und auf der Rückseite zur Erinnerung an die Kriegszeit ein Schwert mit Wappen. Die achteckigen Kleingeldersatzmünzen aus Zink sind in sechs verschiedenen Werten (1, 2, 5, 10, 25 und 50) geprägt worden und waren bis zum 1. Mai 1919 im Umlauf. Für das Münchner Werk sind auch eigene, runde und achteckige Kleingeldersatzmünzen aus Zink geprägt worden. Die Tuchfabrik Carl Feller in Freising hat zwei Münzen mit den Werten 1 Pfg. und 2 Pfg. aus Eisen geprägt. Vom Kolonialwarengeschäft Christian Huß (München und Freising) sind zwei selbst gedruckte Wertgutscheine (1 Pfg. und 2 Pfg.) auf braunem Papierkarton bekannt. Auch gibt es vom Hotel „Bayerischer Hof“ eine auf Messing gestanzte 1-Mark-Münze; sie ist vermutlich auf diese Zeit zu datieren. Vor kurzen ist eine Wertmarke aus Messing mit der Aufschrift „Weihenstephan“ und mit dem Wert 15 aufgetaucht. Ob diese Wertmarke von der Staatsbrauerei Weihenstephan oder aber von einer der großen Vertragsgaststätten stammte, wie zum Beispiel die Wertmarke mit dem Wert 25 „WEIHENSTEPHAN BESITZER PETER REMMLINGER“ in Köln, konnte bisher noch nicht geklärt werden.

2. Die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg (1920 bis 1922)

In dieser Zeit sind in Freising – anders als in anderen Städten und Gemeinden – keine Werte geprägt bzw. gedruckt worden.

3. Die Inflationszeit (1923)

Als im August des Jahres 1923 die Inflation immer schneller voranschritt, die staatlichen Stellen mit dem Drucken der Inflationsscheine nicht mehr nachkamen und dadurch eine enorme Papiergeldknappheit herrschte, wurden auch von der Stadt Freising sowie verschiedenen ansässigen Firmen und Banken kurzfristig Notgeldscheine und Werkschecks als Zahlungsmittel gedruckt, ausgestellt und ausgegeben.

Im Freisinger Tagblatt finden sich hierzu folgende interessante Hinweise:
Donnerstag, 2. August 1923
„Die Knappheit an Zahlungsmitteln, verursacht durch die rapide Geldentwertung der letzten Wochen, hat auch hier in den letzten Tagen so zugenommen, dass die öffentlichen Kassen und Geldinstitute den Zahlungsverkehr nicht mehr aufrecht erhalten konnten. Alle Bemühungen, von den Münchner Zentralstellen bzw. von der Reichsbank Bargeld zu erhalten, waren erfolglos. Es ist bestimmt in Aussicht gestellt, dass die Geldknappheit bis Ende dieser Woche durch Ausgabe der neuen großen Noten, die bis dahin in genügender Menge in Verkehr gesetzt sein werden, behoben sein wird. Um die Geldknappheit augenblicklich einigermaßen beheben zu können, wurden heute vom Stadtrat in größerer Menge Schecks über 100.000 Mark in Umlauf gesetzt. Die Geschäfte werden ersucht, diese Schecks in Zahlung zu nehmen und an Zahlungsstatt wieder weiter zu geben.“

Von diesen Schecks, die vermutlich von der Sparkasse Freising ausgegeben wurden, ist bisher nichts bekannt.

Samstag, 4. August 1923:
„Infolge der herrschenden Papiergeldknappheit sieht sich die Firma C. Feller & Sohn, Tuchfabrik, genötigt, an ihre Arbeitnehmer Gutscheine herauszugeben. Die Gutscheine werden nach Rückgabe durch die Firma eingelöst.“ 

Samstag 11. August 1923 (als Anzeige auf der letzten Seite)
„Wegen Mangel an Papiergeld ist die Auszahlung der Löhne in bar unmöglich. Es ist daher unbedingt notwendig, sich mit Gutscheinen zu behelfen. Es wird ersucht, diese Scheine als Zahlungsmittel anzunehmen, sie werden bei mir jederzeit eingelöst. Maschinenfabrik Steinecker Freising.“ 

Sonntag, 12. August 1923
„Mangel an Zahlungsmittel! Auch die Maschinenfabrik Steinecker muss, um das Auszahlen der Löhne durchführen zu können, sich mit Gutscheinen behelfen. Es wird gebeten, diese Scheine an Geldsstatt anzunehmen. Die städtische Sparkasse sowie die hiesigen Bankhäuser haben sich bereit erklärt, die Gutscheine der Firma Steinecker im Zahlungs- oder Verrechnungs-Verkehr anzunehmen.“ 

Samstag, 18. August 1923
„Bekanntmachung. Der Mangel an Papiergeld hat die Firma Maschinenfabrik Steinecker gezwungen, die Löhne als Notgeld auszuzahlen. Die Firma Schlüter wird aus den gleichen Gründen mit Wertschecks auf die Vereinsbank München auszahlen müssen. Auch Schecks auf der Sparkasse Freising werden vielfach als laufendes Zahlungsmittel benützt. Lieferanten, Landwirte und Geschäftsleute werden ersucht, freiwillig diese Behelfszahlungsmittel anzunehmen, da die Papierknappheit sich voraussichtlich in einiger Zeit wieder beheben wird, und die genannten Firmen und Stellen genügend Gewähr für Wiedereinlösung bieten. Landwirte, Geschäftsleute usw. werden dringend ersucht, Kontos bei einer Bank oder Sparkasse zu errichten. Sie können auf diese Weise viele Zahlungen ohne Papiergeld leisten und tragen dazu bei, die eigene und die allgemeine Wirtschafts- und Geschäftsführung einigermaßen aufrecht zu erhalten. Freising, den 16. August.1923. Stadtrat. J. B.: Bergmann.“
Folgende Wertschecks wurden schließlich ausgestellt: 10.000, 20.000, 50.000, 100.000 (2 Varianten), 500.000, 1 Million (2 Varianten), 2 Millionen, 10 Millionen und 20 Millionen Mark.

Samstag, 25. August 1923
„Aus Stadt und Bezirk. Notgeld in Form von Gutscheinen ließ der Stadtrat herstellen. Bestellt wurden: 10.000 Stück zu 50.000 Mark, 20.000 Stück zu 100.000 Mark, 10.000 Stück zu 500.000 Mark, im Gesamtwert von 7,5 Milliarden. Jeder Geldschein soll auf der Rückseite den Aufdruck erhalten: Für die Sicherheit haftet die Stadtgemeinde Freising mit ihrem Vermögen. Zur Deckung der Gutscheine ist der doppelte Betrag hinterlegt. Nachahmungen sind als Urkundenfälschung strafbar.“
Von der Stadt Freising sind noch weitere Notgeldscheine, 1 Million (2 Varianten), 5 Millionen, 10 Millionen (2 Varianten), 20 Millionen, (2 Varianten), und 50 Millionen Mark, mit dem gleichen Ausgabedatum (22. August 1923) ausgegeben worden.
Die Firma Karl Kirchbaum und Söhne, Freising, hat mit Ausgabedatum vom 24. August 1923 zwei Gutscheine mit den Werten von 500.000 Mark und 1 Million Mark drucken lassen.
Auch die Druckerei Datterer hat im Wert von 7 Milliarden Mark Gutscheine zur Bezahlung ihrer Arbeiter selber gedruckt.
Diese Gutscheine kursierten in der ganzen Stadt als Geld, selbst die Banken zahlten damit aus. Gedruckt wurden sechs verschiedene Werte (100.000, 300.000, 500.000, 1 Million, 2 Millionen und 5 Millionen Mark) mit dem Ausgabedatum vom 17. August 1923. Der Historische Verein Freising ist im Besitz einer solchen kompletten Ausgabe.
Die Scheine der Firma Feller sind nur zum Teil bekannt, 20.000, 50.000, 100.000, 1 Million Mark. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sind auch hier noch mehrere verschiedene Werte gedruckt worden.
Von der Firma Steinecker ist bisher nur ein maschinengeschriebener Schein auf grünem Karton mit dem Wert von 200.000 Mark bekannt.

4. Wertbeständiges Notgeld (1923/24)

Im November 1923 hatte die Inflation ihren Höhepunkt erreicht. Der Wochenlohn beispielsweise eines Schriftsetzers der Firma Datterer betrug schließlich 24,3 Billionen Mark. Hier zwei Beispiele wie sich die Inflation entwickelte, entnommen aus dem Freisinger Tagblatt, zwischen 1920 und 1923:
Durch die Einführung der sogenannten „Rentenmark“ Ende November 1923 konnte die deutsche Währung wieder stabilisiert werden. Bereits am 20. November wurde von verschiedenen Gemeinden, Banken und Firmen ein werbeständiges Notgeld ausgegeben. Diese Scheine hatten zum Beispiel den Aufdruck: 42 Pfennig Gold = 1/10 Dollar; 1,05 Mark Gold = 1⁄4 Dollar; 2,10 Mark Gold = 1⁄2 Dollar und 4,20 Mark = 1 Dollar. Innerhalb der Stadt Freising wurden derartige Scheine allerdings nicht gedruckt. Von Freising ist derzeit nur ein wertbeständiges Notgeld bekannt.

5. Einsatz von Notgeld nach dem Zweiten Weltkrieg (1947/48)

Auch in dieser Zeit sind in Freising keine Notscheine geprägt worden.

Semmelpreis (pro Stück):
01.05.1922 80 Pfennig
19.08.1922 1,50 Reichsmark
02.11.1922 7 Reichsmark
13.01.1923 20 Reichsmark
06.03.1923 70 Reichsmark
08.07.1923 500 Reichsmark
19.11.192325 Milliarden Mark

Bierpreis (pro Maß):
20.01.1920 70 Pfennig
05.04.1922 5,60 Reichsmark
16.11.1922 42 Reichsmark
29.01.1923 300 Reichsmark
13.06.1923 1.700 Reichsmark
14.07.1923  8.400 Reichsmark
15.11.1923 98,6 Milliarden Reichsmark

Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom Mai 2012.
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