Mit Augen und Händen
Silvia Johanus hat vor über zehn Jahren ein Foto- und Filmproduktionsstudio gegründet

Vor über zehn Jahren hat Silvia Johanus alles auf eine Karte gesetzt, ein Foto- und Filmproduktionsstudio gegründet, sich im Lauf der Zeit einen Namen gemacht und ist inzwischen einfach froh und glücklich, dass sie sich damals getraut hat. Der Weg dahin führte die „besonnene Hedonistin“, wie sich selbst bezeichnet, allerdings um einige Kurven und über so manche Hürden, was der gebürtigen Dachauerin letztlich aber dabei half, ihr eigenes Ding zu finden.

Spätestens seit dem Erfolg der berühmten Dachauer Künstlerkolonie ist bekannt, dass der Boden dort wohl ein guter für die Kreativität sein muss, und auf eben dem ist auch Silvia Johanus, die sich selbst als „Auge-Hand-Mensch“ bezeichnet, Anfang der 1980er Jahre geboren. Kein Wunder also, dass sie von klein auf gern gezeichnet und gebastelt hat, zumal da sie obendrein der Vater dazu angeregt hat. Seither liebt sie es, mit den Händen zu arbeiten, handwerklich kreativ zu sein, egal mit welchen Materialien. Neugierig und experimentierfreudig, wie sie ist, hat sie sich viele Techniken und Verarbeitungsmöglichkeiten selbst angeeignet oder bei anderen abgeschaut. Weitere wertvolle Anregungen gewann sie bei ihren zahlreichen Ausstellungsbesuchen, die sie nach wie vor mit großer Leidenschaft unternimmt. In ihrem Procedere war sie mit sich selbst keineswegs zimperlich, hatte keinerlei Hemmungen schon mal 20 Zeichnungen in den Müll zu werfen, um am Ende selbst herauszufinden, wie sie zu einem befriedigenden Ergebnis kommen kann. Seither weiß sie, wie wichtig es ist, sich selbst und seine Fähigkeiten immer wieder aufs Neue auszuprobieren und eben dazu spornt sie auch ihre Schüler an, die sie im Rahmen der Nachmittagsbetreuung an das Agieren mit Foto und Film heranführt. Im Rückblick wirkt das fast wie eine Wiederholung der eigenen Geschichte, hat sie selbst doch als Teenager von ihrem Vater eine Videokamera geschenkt bekommen und sich natürlich gleich damit auf den Weg gemacht. Damals, mit 13 / 14, war sie in einen recht unternehmungslustigen Freundeskreis eingebunden und nutzte das Filmen, um die Lebendigkeit dieser Zeit zu dokumentieren und damit verklärte Erinnerungen zu verhindern. Später hielt sie die Erlebnisse mit ihren Freunden auch mit Fotos und Zeichnungen fest, fand so immer mehr zu ihrer Berufung und fand den Gedanken reizvoll, mit derartigen Arbeiten ihre Existenz zu sichern.

Nach dem Abitur wusste sie erst mal nicht so recht weiter, hatte aber das Glück, dass ihre freien und offenen Eltern sie nicht beeinflussten, sondern vielmehr ihre persönlichen Neigungen und Leidenschaften unterstützten und so dafür sorgten, dass sie ihre Interessen ausleben kann. Trotz dieser idealen Voraussetzungen entschied sie sich selbst aus Vernunftgründen für eine Zahntechnikerlehre. Sie wollte bewusst nicht studieren, sondern arbeiten und Geld verdienen, möglichst in einem handwerklichen Tätigkeitsfeld und dies ist in der Zahntechnik breit gefächert. Im Vordergrund stehen das Modellieren und der Umgang mit so unterschiedlichen Materialien wie Gips, Keramik, Silber oder Gold, was sie durchaus begeistert hat. Nicht so prickelnd ist allerdings der Umstand, dass ein Zahntechniker den ganzen Tag von Feinstaub umgeben ist und mit hochgiftigen Lösemitteln hantiert, nicht gerade die besten Voraussetzungen für einen Beruf fürs Leben. Parallel dazu sorgte damals die Gesundheitsreform dafür, dass zahntechnische Produktionen aus Kostengründen ins Ausland verlagert wurden, hier also weniger Fachkräfte benötigt wurden. Flexibel wie sie ist, machte sich Silvia Johanus derzeit auf die Suche nach einem anderen erfüllenden Job, arbeitet drei Jahre in einer Bäckerei, bekam eine halbe Filialleitung übertragen, machte sich im Teeladen nützlich und besann sich am Ende auf sich selbst.

Mit jeder Menge beherztem Mut richtete sie sich in Freising unter dem Namen ‚Silms Productions‘ ein kleines feines Studio ein, um Künstlern und Kleinunternehmern zu einem gelungenen Internetauftritt zu verhelfen. Idealerweise bewegte sie sich ohnehin längst mitten unter Musikern und Bildenden Künstlern und hatte so die besten Voraussetzungen, sich ohne Hemmschwellen ans Werk machen zu können. Leicht gemacht aber hat sie es sich nicht. Anfangs nahm sie ihre Kamera zu Konzerten mit, um selbige zu fixieren, musste aber schnell feststellen, dass Konzerte gar nicht so einfach zu filmen und deshalb „gute Lehrmeister“ sind. Wie das am besten funktioniert, hat sie sich, wie so vieles andere auch, autodidaktisch beigebracht und eben darum ist sie froh, weil sie so die Freiheit hat, ihre eigenen Ideen zu realisieren, fernab vom gängigen Mainstream oder tradierten Procedere. Gerade diese Kombination von Musik und Bild, von Bild und Musik, ist es, die sie besonders reizt. Schon in ihrer Jugend hat sie ihre Filme gerne mit Musik unterlegt und damit synästhetische Erlebnisse generiert. Mittlerweile geht sie sogar den umgekehrten Weg und entwickelt Bilder nach Musikstücken. Darüber hinaus hat sie sich im Lauf der Jahre längst zur Fachfrau für Filmschnitt, Animation und spezielle Effekte gemausert und wird als solche immer wieder mit der Produktion von Musikvideos, Banddemos und Promotion-Material beauftragt. Frei nach dem Motto „Wir betrachten Sie“ hat sie sich mit ihren immer wieder frischen, innovativen Ideen und deren perfekter Umsetzung in den letzten zehn Jahren deutschlandweit in der Musik- und Künstlerszene etabliert. Und eben dabei kommt ihr ihr breitgefächertes handwerkliches Knowhow sehr zugute. Mit Zeichnungen, Zeichentrick-Sequenzen, Farbe, modellierten Formen, kulissenartigen Konstruktionen und viel Liebe zum Detail generiert sie kleine Welten, Metaphern für ganz unterschiedliche Themen. Auf diese Feinarbeit legt sie großen Wert, denn sie ist sicher, dass „die Augen mithören“. Ein äußerst gelungenes Beispiel dafür ist die Visualisierung der „Brandung“ des hiesigen Liedermachers Axel le Rouge, einer nachdenklichen Ballade über das Dasein, mit der sie einmal mehr unter Beweis stellt, mit wieviel Empathie sie in der Lage ist, sich in andere Gedankenwelten zu vertiefen. Der aufwendig produzierte Film wurde auf Festivals in Österreich, Indien und Tokyo gezeigt und landete schließlich in Los Angeles beim renommierten Glendale- Festival, wo er in zwei Kategorien nominiert war. Einen Preis gewonnen hat er zwar leider nicht, aber allein das Erlebnis in 2018 auf dem roten Teppich im Blitzlichtgewitter laufen zu dürfen, war die Reise wert, schwärmen Johanus und le Rouge noch heute.

Neben den auftragsorientierten Arbeiten entwickelt sich die fantasievolle Filmemacherin immer mehr in Richtung freie künstlerische Arbeit. Seit sie im zarten Alter von sieben ‚Indiana Jones‘ gesehen hat, ist sie hin und weg von Horror-Filmen. Besonders die Suppe mit den darin schwimmenden Augen hat sie schon damals gefesselt. Überhaupt ist sie vor allem von der Machart des Genres hoch fasziniert und das ist wohl auch der Grund, weshalb sie solche Filme nie als belastend oder gruselig empfand. Kein Wunder also, dass sie sich nun selbst daran gemacht hat, einen Horror-Film zu drehen, bevor dafür aber die letzte Klappe fällt, muss sie noch jede Menge tüfteln, überlegen und die nötigen Utensilien konstruieren. Dabei ist ihr sicherlich ihr Interesse an der Anatomie von Vorteil, im speziellen der des inneren menschlichen Körpers. Wie es dort aussieht, weiß sie spätestens seit ihren Ausstellungsbesuchen von Gunther von Hagens Körperwelten. Bleibt abzuwarten, zu welchen H.henflügen ihr facettenreiches Kopf-Kino vor diesem Hintergrund ansetzt.

Ganz realer Natur sind dagegen ihre privaten Interessen an der Gartenarbeit, der Kräuterzucht oder am Kochen und Sport, doch wie heißt es so trefflich. „Mens sana in corpore sano“. So gestärkt ist sie freilich auch fit für ihre Reiselust, die sie immer wieder in andere Länder lockt, um dort andere Kulturen und Menschen kennen zu lernen sowie bislang Unbekanntes zu entdecken. Gut vorstellbar, dass sie dabei auch Inspirationen erhält, die später in ihre multimedialen Produktionen mit einfließen.

Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom Januar 2021.
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