Freisings Kriegerdenkmal geht auf Wanderschaft
Ein Monument wird mobil

In der Oberen Hauptstraße tut sich was: Bis Ende 2021 dauern die Arbeiten zur Umgestaltung der Innenstadt in diesem Bereich an. Während die Moosach freigelegt wird, muss das Kriegerdenkmal vorübergehend weichen.

An diesen Anblick muss man sich erst gewöhnen. Auf dem Platz zwischen Bahnhofstraße und Oberer Hauptstraße fehlt etwas: das Kriegerdenkmal. Im Zuge der Neugestaltung der Oberen Hauptstraße inklusive der Moosachöffnung wurde jetzt das zentrale Freisinger Kriegerdenkmal an der Oberen Hauptstraße für die Dauer der Bauzeit demontiert. In Abstimmung mit dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege wird es von Restaurator Reinhold Herbst aus dem mittelfränkischen Dinkelsbühl saniert, bevor es im kommenden Jahr wieder an seinen alten Platz zurückkehrt – allerdings ein paar Meter versetzt.

Drei Tage hat es gedauert, um das insgesamt 8,50 Meter hohe Denkmal abzubauen. Nachdem die Vorbereitungen für die Aktion getroffen worden waren, wurden zunächst die Fugen geöffnet, der Abbau vorbereitet und das Pflaster ausgebaut, um an die Steine heranzukommen. Tags darauf wurde dann das Gerüst aufgebaut, um das prägende Herzstück des Kriegerdenkmals, den Obelisken, abzubauen. Weichen mussten danach die beiden Löwen, die den Obelisken flankieren. Doch damit begann die Arbeit für Reinhold Herbst und sein Team erst so richtig: Denn das Kriegerdenkmal muss restauriert und wieder auf Vordermann gebracht werden. Erst nach Fertigstellung des niveaugleichen Ausbaus auch der Oberen Altstadt (inklusive Moosachöffnung) wird das Denkmal in die Obere Hauptstraße zurückkehren. Das wird Ende 2021 sein. Es wird dann etwa vier Meter nordöstlich seines bisherigen Standorts situiert und dann den völlig neu gestalteten Platz prägen.

An diesen Ort ohne das Kriegerdenkmal wird sich kein Freisinger mehr erinnern. Denn die Historie beginnt im Jahr 1905: Das Freisinger Kriegerdenkmal war am 28. Mai 1905 feierlich eingeweiht worden – damals für die Opfer des Deutsch-Französischen Kriegs 1870/71. Nach Vorarbeiten des Architekten Gabriel von Seidl hatte Emil Ritter von Lange, damals Direktor  der Münchner Kunstgewerbeschule, den Entwurf geschaffen, die Ausführung oblag dem Freisinger Bildhauer Josef Franz. Die ursprünglichen Bronzelöwen gestaltete der Münchner Bildhauer Karl Kiefer. Das 8,50 Meter hohe Denkmal steht auf einem Sockel aus Hauzenberger Granit. Auf diesem Sockel sitzen zwei 1,30 Meter hohe Bronzelöwen. Aus den Löwenköpfen sprudelt Wasser in zwei Brunnenschalen und weiter in zwei Bodenbecken. Die Originalskulpturen verschwanden in den Wirren des Kriegsendes im Jahr 1945. Aber auf Löwen wollte man nicht verzichten. Deshalb gestaltete der Freisinger Bildhauer Wilhelm Breitsameter 1985 zwei neue Exemplare nach der Vorlage, wie sie auf alten Fotografien zu sehen ist. Auf Bronzetafeln wird der Toten nicht nur des Kriegs von 1870/71, sondern auch beider Weltkriege gedacht und erinnert: „Unser Opfer ist Eure Verpflichtung: Frieden“. Freising, so weist es die Inschrift aus, habe 1870/71 zwölf von 7783 Einwohnern verloren. Im Ersten Weltkrieg fielen 472 von 15 647 Einwohnern, im Zweiten Weltkrieg musste die Stadt den Verlust von 1112 Einwohnern (von damals 24 482) beklagen. Ebenfalls auf dem Denkmal zu lesen: „Die Toten verpflichten die Lebenden.“

Wenn Ende kommenden Jahres das frisch restaurierte Kriegerdenkmal zurückkehrt und leicht versetzt wieder aufgebaut wird, ist es übrigens nicht das erste Mal, dass das Freisinger Kriegerdenkmal verrückt werden muss: Schon Mitte der 1980er Jahre, als die Innenstadt verkehrsberuhigt umgebaut wurde, wanderte das Monument schon einmal einige Meter. Es stand zuvor in Höhe des heutigen Kasdandlers (einst das Lokal Georgs-Klause), also weiter in Richtung Bahnhofsstraße. Nachdem das Denkmal für die Gefallenen und Vermissten des Deutsch-Französischen Kriegs sowie der beiden Weltkriege an seinem neuen Platz aufgestellt worden war, wurden die beiden Bronzelöwen ergänzt.

Während also am östlichen Ende der Oberen Hauptstraße das Kriegerdenkmal für gut ein Jahr den Blicken der Freisinger entzogen ist, konnte man in den vergangenen Wochen im westlichen Bereich der Oberen Hauptstraße erstmals nach vielen Jahren wieder den Blick auf etwas erhaschen, was man seit Jahrzehnten schon nicht mehr gesehen hat: die Moosach, die bekanntlich unter schweren Betonplatten und dem Pflaster verschwunden war und nur im Untergrund vor sich hin plätscherte. Nach aufwändigen Vorbereitungen für dieses Projekt (bereits im September 2019 hatte der Stadtrat den Projektbeschluss gefasst), geht es nun also bis Ende 2021 rund in der Oberen Hauptstraße. Möglicherweise werden sich einzelne Maßnahmen aber noch bis ins Jahr 2022 hineinziehen. Und wie wird es dann aussehen? Der gesamte Straßenraum der Oberen Hauptstraße zwischen Karlwirtskreuzung und Bahnhofstraße sowie der nördliche Abschnitt der Bahnhofsstraße wird niveaugleich ausgebaut, wobei entlang der Fassaden große Natursteinplatten und in der Straßenmitte kleinere Granitsteine verlegt werden. Ausgestattet wird auch dieser Abschnitt mit Sitzelementen und Fahrradständern, die in diesem verkehrsberuhigten Bereich zu einer angepassten Geschwindigkeit beitragen und die Aufenthaltsqualität steigern sollen. Im Zuge der Arbeiten, bei denen auch der Verlauf der Moosach leicht verschoben wird, wird nun eben auch das Kriegerdenkmal in die Sichtachse der Oberen Hauptstraße versetzt.

Der Abbau des Kriegerdenkmals hat unter der Freisinger Bevölkerung auch eine Diskussion ausgelöst, ob das Monument überhaupt wieder an dieser Stelle aufgebaut werden soll und ob man es nicht lieber „Friedensdenkmal“ taufen sollte. In den sozialen Netzwerken wird eifrig debattiert, ob so ein Denkmal zeitgemäß ist und ob es an einem zentralen Ort in der Altstadt seinen Platz finden soll. Die Meinungen gehen weit auseinander.

Zur Geschichte:

Nach längeren Vorüberlegungen entschloss sich in Freising endlich ein Komitee, für die zwölf im Krieg 1870/1871 gefallenen Mitbürger ein Denkmal zu errichten. Den Entwurf dafür lieferte – nach Vorarbeiten des Architekten Gabriel von Seidl – der Direktor der Münchner Kunstgewerbeschule, Emil Ritter von Lange. Die Ausführung lag in den Händen des Freisinger Bildhauers Josef Franz, der dafür laut Rechnung vom 31. März 1904 die Summe von 14.700 Mark bekam. Die beiden Bronzelöwen wurden vom Münchner Bildhauer Karl Kiefer gestaltet und in der Königlichen Erzgießerei München um 5.500 Mark gegossen. Das Denkmal wurde am 28. Mai 1905 im Rahmen eines dreitägigen Programms, eines festlichen Gottesdienstes und eines Festzugs feierlich enthüllt und eingeweiht. Das eindrucksvolle Denkmal (850 cm hoch) steht auf einem hohen, breiten Sockel aus Hauzenberger Granit. Aus zwei bronzenen Löwenköpfen an der Ost- und Westseite sprudelt Wasser in zwei Brunnenschalen und ergießt sich weiter in zwei halbrunde Bodenbecken. Auf dem Sockel sitzen zwei Bronzelöwen (130 cm). Sie wurden 1944 abmontiert und in den Bauhof gebracht, wo sie in den Wirren des Kriegsendes 1945 verschwunden sind. 1985 konnte der akademische Bildhauer Wilhelm Breitsameter aus Freising zwei neue Bronze-Löwen nach alten Photographien gestalten. Der obere Teil des Kriegerdenkmals ist ein Obelisk aus fränkischem Muschelkalk. Auf ihm sind das Tatzenkreuz und das Eiserne Kreuz in Lorbeerkränzenund das bayerische Rautenwappen zu sehen. Bei der Neugestaltung des Denkmals nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Bronzetafeln mit eingeritzten Inschriften am Sockel angebracht: u.a.: ,,DIE SICH DES VERGANGENEN NICHT ERINNERN, SIND VERURTEILT, ES ZU WIEDERHOLEN”. ,,DIE TOTEN VERPFLICHTEN DIE LEBENDEN”. ,,WEIL DIE TOTEN SCHWEIGEN BEGINNT IMMER WIEDER ALLES VON VORN”. ,,UNSER OPFER IST EURE VERPFLICHTUNG: FRIEDEN”.

(R. Goerge, Literatur: Stadtarchiv Freising: Sign. 04700286. – Freisinger Tagblatt vom 28. und 30. Mai 1925. – Florian Notter: Aufbruch und Umbruch. Freising in Fotografien der Jahre 1900 bis 1920, 2017)

Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom Juli/August 2020.
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