Von der Isar an die Donau
Die Wiener Kunstszene schätzt Sallie McIlherans Werke

Was wäre Wien ohne seine Kaffeehäuser? Seit jeher sind sie ein beliebter Treffpunkt zum Ratschen, Tratschen, Diskutieren und Philosophieren. Orte der Begegnung, des Dialogs. Im berühmten Café Landtmann, unweit des Wiener Burgtheaters, gibt seit August ein Freisinger Gemälde Anstoß zum Dialog. Sallie McIlherans Bild mit dem klangvollen Namen „Cante Allegro“ schmückt die Wände der neu eröffneten „Bel Etage“.
Kraftvolles Grün fällt dem Betrachter als erstes ins Auge. Ein lebendiges, fröhliches Grün, das sich über das dreiteilige Werk erstreckt. „Die Farbe bedeutet für mich Leben, Menschen, Natur und Gedanken“, sagt Sallie McIlheran. Im nächsten Augenblick nimmt man Menschen im Zwiegespräch mit sich selbst oder ihrem Gegenüber wahr. Figurative Szenen eines Orts der Begegnung.
Die Bel Etage („Das schöne Geschoß“) mit ihren drei imperial gestalteten Räumen soll genau das sein: Ein Ort des Gesprächs und der Begegnung. Die neue Etage ist allerdings nicht als Erweiterung des parterre liegenden Kaffeehauses gedacht, sondern vielmehr für Seminare, Workshops und Diskussionsabende vorgesehen. Damit will man an eine uralte Tradition anknüpfen. Denn einst verkehrten hier Gustav Klimt, Johann Strauss, Arthur Schnitzler und Berta Zuckerkandl und suchten den künstlerischen Austausch. Inspiriert von diesem Geist, schuf die Freisinger Künstlerin ein Gemälde, das die Betrachter zum Austausch anregen soll.

Im Mai klingelte das Telefon der charmanten Texanerin, die seit 17 Jahren in Freising lebt. Der Inhaber des Cafés rief an und erzählte ihr von seinen Plänen. In Wien, wo Sallie McIlheran zu Beginn der 1990er Jahre Master of Fine Arts studierte und Meisterschülerin von Professor Wolfgang Hutter war, hatten die beiden sich kennenglernt. Ihre Kunst hat ihn verzaubert. Und so gab es für den Geschäftsmann keine Frage: „Du machst das!“ Völlig freie Hand hat er ihr gelassen und viereinhalb Monate Zeit. Nach der Besichtigung des Mahler-Zimmers, wofür das Gemälde bestimmt sein sollte, war ihr klar: „Big room, big painting!“ Mehr auch nicht, denn es gab keinerlei Vorgaben. Das Zimmer ist ganz in Weiß gehalten, die Decke in Stuck gearbeitet.
Im Zuckerkandl-Zimmer nebenan zieren dunkle Holztäfelungen das Mauerwerk, eine elegant schwarz-gemusterte Tapete setzt Akzente und schafft Palais-Charakter. Bei einem dritten Blick auf „Canto Allegro“ (Fröhlicher Vers) sticht die Tapete ins Auge. Expressiv ist sie ins Bild integriert und „steht als Metapher für die Bel Etage“, erklärt die Malerin. Mit jedem weiteren Blick auf das lyrische, in Öl gemalte Werk eröffnen sich dem Betrachter neue Details und die technische Finesse des Gemäldes wird immer deutlicher.

Wien scheint die Werke der charmanten Amerikanerin zu lieben. Zuletzt war sie 2010 zu einer Ausstellung eingeladen, für Februar 2013 stellt sie gerade eine Bilderserie zusammen. „Canto Allegro“ ist das zweite große Gemälde von Sallie McIlheran, das von der Isar- in die Donaustadt gewechselt hat. Im Café Museum, nur einen Katzensprung vom Landtmann entfernt, sorgt bereits ein McIlheran für Gesprächsstoff. Und das frische, grün leuchtende Triptychon wird dies ebenso tun.

Sallie McIlheran
1968 in Fort Worth, Texas, geboren, studierte am Sweet Briar College in Virginia Bachelor of Arts. Ein Gast-Studium führte sie 1989 für ein Jahr erstmals nach Wien an die Hochschule für angewandte Kunst. 1990 schloss sie ihr Studium in Virginia ab und besuchte im Anschluss für vier Jahre die Meisterklasse bei Professor Wolfgang Hutter in Wien.
Internet: www.sallie-mcilheran.de Ausstellungen:
November 2012, Norwood Flynn Gallery, Texas: norwoodflynngallery.com; Februar 2013, Galerie base-level, Wien: base-level.com

Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom November 2012.
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