Was ganz Großes für die Clemensänger
Transgourmet: Nichts für städtebauliche Feinschmecker

Logistiker? Nein, danke. Das war bisher stets die Maxime der Stadt Freising, wenn es um Gewerbeansiedlungen ging. Die OHG Transgourmet, die praktisch die gesamten Restflächen in den Clemensängern auf einen Schlag kaufen würde, lässt die Stadtvertreter aber an diesem Credo rütteln. Und schon ist ein Streit entbrannt – zwischen den Stadträten und zwischen den Parteien. Und jetzt mischen auch die Bürger und Anwohner kräftig mit.

Die Maße sind beeindruckend: 275 Meter lang, 90 Meter breit, 18 Meter hoch. Ein Gigant. Es wäre das – von wenigen Hallen am Flughafen abgesehen – größte Gebäude zwischen München und Landshut. Die Firma OHG Transgourmet, die ihr bisheriges Lager aufgeben muss und im Gewerbegebiet Neufahrn unerwünscht war (der Gemeinderat hatte sich gegen die Ansiedlung der Firma am Römerweg ausgesprochen), will diesen Komplex nun in dem Gewerbegebiet Clemensänger errichten. Seitdem die Pläne bekannt geworden sind, bietet das Projekt allerlei Anlass für Diskussionen. Kein Wunder, wäre die Ansiedlung dieses Logistikriesen doch der Vorstoß in eine ganz andere Dimension der Wirtschaftspolitik in Freising und würde von seiner Baumasse her alles in den Schatten stellen, was man aus dem Landkreis kennt. Nur eine Zahl: Das Gebäude wäre genauso lang wie der Freisinger Domberg und fast vier Mal so groß wie der Hartl-Bau neben den Schlüterhallen.

Schon das Verwaltungsverfahren, damit man Transgourmet überhaupt ansiedeln könnte, ist kein leichtes Unterfangen: Denn man muss den gültigen Bebauungsplan für das Gewerbegebiet Clemensänger umfangreich ändern. Es gilt zahlreiche Hürden und Hindernisse aus dem Weg zu schaffen – Verkehrsbelastung und Lärm sind nur zwei Probleme, die man in den Griff bekommen müsste. Gutachten müssen eingeholt, Berechnungen angestellt werden. Und dann müsste man sich vor allem auch von dem verabschieden, was 1993 bei der Planung des Gewerbegebiets vom damaligen Architekten Hertzberger preisgekrönt als „gebaute  Landschaft“ tituliert wurde und eine eher kleinteilige Vermarktung der Grundstücke vorsah. Bisher hielt man sich immer daran. Doch der Transgourmet-Bau würde diesen Rahmen völlig sprengen, würde in keinem Verhältnis zur bisherigen und umgebenden Bebauung stehen. Deshalb haben auch die Mitglieder des Gestaltungsbeirats der Stadt Freising kürzlich erst nur von „dem Ding“, „dem Klotz“ oder „dem Kasten“ gesprochen und keinen Hehl aus ihrer Meinung gemacht, dass dieses Gebäude jeden Rahmen sprengen würde.

Während also die Stadtverwaltung mehrheitlich den Auftrag bekommen hat, den Bebauungsplan zu ändern und zu versuchen, alle rechtlichen und planerischen Hindernisse aus dem Weg zu räumen, während in der Stadt also energisch an diesem Projekt gearbeitet wird, formieren sich die Parteien und Stadträte: Allen voran Grüne und ÖDP sehen das Transgourmet-Vorhaben – vorsichtig ausgedrückt – skeptisch. Man könnte auch sagen: Sie lehnen es kategorisch ab. Neben der Baumasse und dem zu erwartenden Lärm für die Bewohner der Carl-Orff-Siedlung und Attachings bezweifeln die Grünen-Stadträte – unterstützt beispielsweise von Katrin Stockheim (FSM) – dass die Stadt finanziell auf Dauer einen großen Vorteil habe. Der Verkauf des Areals spüle Geld in die Kasse, aber ob in den folgenden Jahren viel Gewerbesteuer in den Stadtsäckel fließe, sei nach Ansicht der Skeptiker doch eher fraglich. Man hat große Bedenken, diesen „Superlogistiker“ anzusiedeln.

Die SPD hat sich inzwischen allerdings klar pro Transgourmet ausgesprochen. Die Chance, auf einen Schlag hohe Einnahmen zu erzielen, dürfe man angesichts der anstehenden Projekte und Herausforderungen in der Stadt Freising nicht vertun. Westtangente, Innenstadtumbau, Asamkomplex-Sanierung – das muss ja auch alles irgendwie bezahlt werden. Der Verkehr (Lkw sollen vom „Attachinger“ Kreisel der Südtangente zufahren, Pkw von dem anderen Kreisel) sei kein allzu großes Problem und ob der Lärm (auch und besonders nachts) für die nächste Wohnbebauung zumutbar sei, müsse eh ein Gutachten ergeben. Vorgesehen ist nach jetzigen Plänen, dass die Verladung, die An- und Ablieferung an der der Autobahn zugewandten Seite des Gebäudes stattfinden soll. Vor allem würde ja auch die Ansiedlung mehrerer kleiner Unternehmen mehr Verkehr und mehr Lärm bedeuten, argumentieren die Projektbefürworter. Wie viele Lkw-Bewegungen es sein würden, steht noch nicht genau fest. Allerdings wurde schon einmal von den Planern angedeutet, dass der meiste Verkehr in den grauen Morgenstunden stattfinden werde – dann also, wenn auf dem Südring eh kaum Verkehr sei. Geht man nach den Stellungnahmen in den Ausschüssen, dann dürften auch CSU, Freisinger Mitte und die Freien Wähler im Stadtrat den Bau des Logistikzentrums mehrheitlich befürworten, sollte das rechtlich zulässig sein. Tenor: Man dürfe diese Chance nicht verstreichen lassen, sollte es einen Weg geben, Transgourmet in den Clemensängern bauen zu lassen. Für Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher steht sowieso fest: „Das ist eine politische Entscheidung“, sagt er.

Ob diese politische Entscheidung von Bürgern beeinflusst wird, die sich zu diesem Vorhaben zu Wort gemeldet haben und sicherlich noch stärker zu Wort melden werden, wird sich zeigen: Rund 30 Betroffene haben sich inzwischen, durchaus von Bündnis 90/Die Grünen motiviert, inzwischen zu einem Bündnis zusammengefunden, um gegen das Projekt zu kämpfen. Sie wollen bei Infoständen und mit Aufklärungsgesprächen klar machen, was da auf Lerchenfeld und die Stadt zukommen würde.  Und sie werden bei den kommenden Terminen zu diesem Thema Flagge zeigen. Am 23. März soll es im Planungsausschuss darum gehen, ob eine Bebauungsplanänderung im Sinne der OHG Transgourmet möglich ist und ob die Stadträte dies dann auch befürworten. Und dann, so hat es Tobias Eschenbacher bereits angekündigt, würden die Pläne nicht nur im üblichen Rahmen eines solchen Verfahrens in der Stadtverwaltung zur Einsichtnahme für die Bürger ausgelegt. Nein. Angesichts der Dimension, der Bedeutung und der Größe des Projekts versprach Eschenbacher, dass es eine ganz spezielle, eigene Bürgerversammlung zu diesem heißen Thema in Lerchenfeld geben werde, bei der die Pläne des Logistikers erläutert und Fragen der Bürger dazu beantwortet werden. Das wird spannend. Das wird aufregend. Das wird richtungsweisend.

 

Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom März 2016.
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